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Warum eigentlich Travel News?

Unser Leben kann wie eine große Reise gesehen werden. Wenn wir uns ganz bewusst auf die Reise begeben, neue Ziele definieren, neue Wege erkunden - dann beginnen wir, unser Leben zu steuern, dann kommen wir in die Selbst-Entwicklung. Somit macht ein Reisebericht auf dieser Seite zumindest symbolisch durchaus Sinn. Zusätzlich möchte ich die Erfahrungen, die ich auf meiner großen Reise mache, als Inspiration zur Verfügung stellen, und gleichzeitig geben Sie euch die Möglichkeit, mich als Mensch besser kennen lernen zu können. Es war diese eine "once-in-a-lifetime" Reise, mit viel Zeit und wundervollen Begegnungen. Viel Freude beim Lesen!

Reisevorbereitung

Am Samstag den 6. Januar 2024 soll unsere Reise in Palma starten - was soll ich sagen, für mich gibt es keinen besseren Ausgangspunkt für unser Abenteuer. Dieser wundervolle Ort, der mir immer wieder und seit vielen Jahren so viel Energie gibt und Freude bereitet. Und das relativ milde Klima hilft natürlich auch bei der Einstimmung auf den Hochsommer, in den wir uns begeben werden. 

Zur optimalen Vorbereitung auf die Outdoor-Experience in Südamerika erkunden wir den Küstenweg von S'Estanyol und den wunderschönen Teilabschnitt des GR221 von Deía nach Soller.

Und na klar, so gut es geht bereiten wir den Garten auf 2 Monate ohne unsere Pflege vor - wobei ich mir da wenig Sorgen mache. Die Flora und Fauna kommt ohne Menschen in der Regel ziemlich gut zurecht :-). Mir fällt es schwer, Abschied zu nehmen, schließlich habe ich seit dem Beginn meiner "Auszeit von der Lohnarbeit" am 1.10.2023 viel Liebe und Energie in dieses Stück Land gesteckt. Ich bin gespannt, wie es hier aussieht, wenn ich im März wiederkomme.

Aber nun geht der Blick erstmal Richtung Südamerika - Argentinien, die Heimat meines lieben Luis, wird uns mit sommerlichen Temperaturen empfangen. Wir sind so gespannt auf alles, was da an Erlebnissen und Eindrücken kommen mag!

Der Flug mit Air Europa von Madrid nach Buenos Aires verläuft problemlos – und wir landen fast 1 Stunde früher als geplant um 8h morgens. Es erscheint mir wie ein kleines Wunder, gestern noch im europäischen Winter, jetzt im südamerikanischen Hochsommer. Auf einmal ist man nicht mehr auf der Suche nach Wärme und Pullovern, sondern braucht Sonnencreme und Mückenspray und kühle Getränke.

Direkt kommt auch die erste Naherfahrung mit der galoppierenden Inflation – für 2 Tassen Kaffee und 2 Croissants soll ich über 8.000 (!) Pesos bezahlen. Nach kurzem Schreckmoment rechne ich nach und komme auf 8 Euro – für ein Flughafen-Café doch ein ziemlich akzeptabler Preis. Und dennoch, die großen Mengen an Geldscheinen, die wir ab jetzt mit uns rumtragen werden müssen, sind mehr als ungewohnt...

Schon die Taxifahrt vom Flughafen in die Stadt ist eine Freude, Buenos Aires hat so ein wunderschönes und abwechslungsreiches Stadtbild, ich bin froh, dass Luis den Fahrer unterhält und ich in Ruhe aus dem Fenster schauen kann. Wir haben über AirBnB ein kleines Apartment im Stadtteil Palermo gemietet, dort treffen wir uns zum langersehnten Wiedersehen mit Claudio, Luis‘ Sohn, der schon seit einem Jahr in BA lebt.

Und da heute Sonntag ist, nutzen wir die Chance, um den berühmten Street Market in San Telmo zu besuchen. Es ist unglaublich voll, trotzdem liegt eine gelassene, entspannte Atmosphäre in der Luft. Hier kann man sich treiben lassen, das Auge weiß gar nicht, auf welche Antiquität, auf welches Kunsthandwerk oder welches skurrile Gerät es zuerst den Blick richten soll. Und dann kommt natürlich ein Hüngerchen dazu – kein Wunder bei den verführerischen Gerüchen nach Gegrilltem, die hier überall in der Luft hängen! Ich habe schon vor der Reise beschlossen, meinen Vegetarismus hier nicht ganz so ernst zu nehmen – und wir gönnen uns ein Chori-pan vom street barbecue. Was soll ich sagen, es war köstlich.

Der Himmel bewölkt sich, und wir nehmen den Bus (das Bus-Netz in Buenos Aires ist wirklich großartig und günstig) und fahren zurück Richtung Palermo. Bevor wir uns während des Gewitters und bei prasselndem Regen ein Nachmittagsschläfchen gönnen, führt uns Claudio noch zu einer großartigen Eisdiele (Rapanui) – die riesige Auswahl an ausgefallenen Sorten lässt die Entscheidung wirklich schwer fallen.

Der Stadtteil Palermo ist berühmt für seine unendliche Auswahl an Gastronomie aller Art. Wir verbringen unser erstes Dinner im Restaurant „Lo de Jesus“ – sehr empfehlenswert. Und obwohl es eher auf Grill spezialisiert ist, kommt man auch als Vegetarier auf seine Kosten: mit einer großen Auswahl an gegrilltem Gemüse und Salaten. Der erste Tag war schon einmal mehr als wundervoll – mit dem immer noch zauberhaften Gefühl, in eine andere Wirklichkeit „gebeamt“ worden zu sein, schläft es sich hervorragend.

Nur 33 km vom Stadtzentrum von Buenos Aires entfernt befindet sich das Delta del Tigre, das fünftgrößte Flussdelta der Welt. Hier kann man dem Lärm der Stadt entfliehen (Anreise entweder mit dem Zug von Retiro für wenige Euro oder noch bequemer mit einem Uber für ca. 11 Euro), die Flora und Fauna bewundern und die vielen kleinen und größeren Wochenendhäuschen entlang der Flussufer.

Wir sind zunächst leicht überfordert von dem Überangebot an diversen Ausflugspaketen – Boottransfer inklusive „diversión“ (Reiten, Kanu, etc.) und Mittagessen (asado natürlich), unzählige Routen und sonstige Details. Eigentlich wollen wir ja nur mit dem Boottransfer zu einer der vielen Inseln, dort spazieren gehen, die Vegetation bewundern, unser Sandwich essen und dem Vogelgezwitscher lauschen. Am Ende finden wir endlich den richtigen Fahrkartenschalter – für 2 Euro hin und zurück geht es los. Das Schiff ist bis auf den letzten Platz gefüllt, jetzt im Sommer ist das Delta für viele Familien ein beliebtes Tagesausflugsziel – schwer beladen mit Kühltruhen, Badesachen und Liegestühlen verbringen sie den Tag an einem der zahlreichen Flussstrände. Mich würde es einiges an Überwindung kosten, in das schlammbraune Wasser zu springen…wer weiß, welche Lebewesen sich noch so im Fluss tummeln! Das Boot führt uns schnell in die wundersame Welt des Delta: tropische Vegetation, auf Plateaus gebaute bunte Holzhäuschen und immer wieder Abzweigungen diverser Flussläufe. Einziger kleiner Störfaktor: der Kapitän steht offenbar auf Death Metal Musik, die in voller Lautstärke aus dem Ghettobluster dröhnt – kombiniert mit dem Krach des Schiffsmotors keine angenehme Geräuschkulisse. Also Fokus auf den Sehsinn…

An dem Anleger 3 Bocas verlassen wir das Boot und machen uns auf den Weg durch die Vegetation – gut, dass wir Mückenspray dabei haben. Wir bewundern die diversen tropischen Pflanzen, die Blütenpracht und die schönen Gärten. Auf halbem Weg schließt sich uns ein Hund an, der uns bis zur Rückkehr zum Steg begleitet. Dort sammelt uns das Bootstaxi 2 Stunden später wieder ein – alles in allem ein wunderschöner Nachmittag in der Natur. Mit vielen schönen Bildern im Kopf kehren wir zurück in die City.

Zum Dinner entscheiden wir uns heute für vietnamesische Küche im „Green Bamboo“ – wie schon gesagt, kulinarisch lässt Buenos Aires keine Wünsche unerfüllt. Und dann lassen wir den Abend auf unserem kleinen Balkon ausklingen – bei immer noch warmen 24° kurz vor Mitternacht fühle ich mich endgültig im Hochsommer angekommen.

Am folgenden Tag geht es weiter mit der Erkundung kleiner Naturoasen, diesmal mitten in der Stadt: Ecoparque. Der historische Zoo wurde von 2016 – 2018 zum Öko-Park umfunktioniert. Eine grüne Oase mit zahlreichen einheimischen Pflanzen und Tieren, die auch den alten Zootieren noch ein Zuhause bietet. Überraschenderweise ist der Eintritt frei, viele Familien nutzen das Gelände für einen Tagesausflug. Maras, Pfaue und Warane bewegen sich frei auf dem Parkgelände, und zahlreiche Lehrtafeln bieten Informationen zu Themen wie Kreislaufwirtschaft, Renaturierung und der hier angesiedelten Flora und Fauna. Die wunderschönen Gebäude aus der Gründungszeit des ehemaligen Zoos komplettieren die Ästhetik dieser Oase mitten im Stadtteil Palermo.

Und zum krönenden Abschluss ein weiteres touristisches Highlight: mit dem Bus fahren wir nach Recoleta zur Buchhandlung „El Ateneo Gran Splendid“. Wobei Buchhandlung ein absolutes understatement ist für diesen Ort. Im historischen Theatergebäude mit überwältigender Kulisse lässt sich auf 3 Etagen nach Büchern aller Art stöbern, oder für Musikliebhaber auch diverse Vinylplatten im Untergeschoss durchforsten. Und wenn man ein paar Bücher gefunden hat, die interessant erscheinen, nimmt man diese einfach mit ins Café auf der ehemaligen Theaterbühne, wo man bei einem kühlen oder heißen Getränk schon mal ein bisschen reinlesen kann. Grandios!

Die Metropole Argentiniens hat viele Facetten und viele touristische Highlights. Dass wir in den 5 Tagen hier nicht alle „abklappern“ können und wollen, war klar. Schon gar nicht bei den hochsommerlichen Temperaturen, da gönnen wir uns lieber mal längere Pausen und lassen es gemütlich angehen. Zum Beispiel bei einem Spaziergang durch die „Bosques de Palermo“ (eigentlicher Name „Parque Tres de Febrero“), der mit 400 Hektar größten Parkanlage der Stadt. Dass der Park bereits 1875 angelegt wurde, davon zeugen zahlreiche beeindruckende Baumriesen, der verwinkelte Stämme eine Geschichte für sich erzählen.

Aus unserem geplanten Besuch des Planetario Galileo Galilei wird leider nichts – ohne vorherige Reservierung gibt es keine Eintrittsmöglichkeit. Also Planwechsel: Mit dem Bus nach Belgrano ins Barrio Chino für einen Mittagssnack. Das Chinatown von Buenos Aires ist eher klein und unspektakulär, aber die roten Lampions und das einladende Angebot an asiatischen Snacks und Waren aller Art lohnen einen kurzen Abstecher. Einzig etwas beunruhigend erscheinen uns die Elektroinstallationen – die Kabel hängen frei die Wände herunter – nichts ungewöhnliches in Argentinien…

Auf dem Rückweg ein weiterer Abstecher ins Grüne, in den Jardin Botanico. Hier finden sich über 900 Baumarten sowie rund 2000 weitere Planzenarten, viele Insekten, Vögel und Schmetterlinge – schon nach wenigen Metern tritt der Lärm der Stadt in den Hintergrund und das Rauschen der Blätter bestimmt die Geräuschkulisse. Hier lässt es sich aufatmen, die verschlungenen Wege und zahlreichen Bänke laden zum flanieren und verweilen ein.

Auch die zahlreichen Museen der Stadt machen einem die Entscheidung nicht gerade leicht. Wir beginnen bei einem der eher ungewöhnlichen Orte, dem Palacio de Aguas Corrientes. Dieses 1894 eingeweihte architektonische Meisterwerk sieht von außen aus wie ein pompöser Palast, kunstvoll gestaltet und verziert mit Mansardendächer im französischen Stil und eine Fassade aus 170 000 glasierten Terrakotta-Kacheln und 130 000 emaillierten Ziegeln, die alle aus England und Belgien geliefert wurden.

Im Inneren befindet sich ein Meisterwerk der frühen Ingenieurskunst - der „Palast des fließenden Wassers“ wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Wasserversorgung der Stadt gebaut. Nach dem raschen Wachstum der Stadt und mehreren Epidemien, darunter Cholera und Thyphus, beschloss man, ein modernes Fließwassersystem nach den Plänen des britischen Ingenieurs John Bateman einzuführen. Im Inneren befinden sich 12 eiserne Wassertanks mit einem Fassungsvermögen von 6.000 m3, die sich auf drei Etagen verteilen. Das Gebäude dient heute als Verwaltungszentrum der städtischen Wasserwerke, beherbergt aber auch ein kleines, skurriles Museum mit einer Sammlung von Kacheln, Wasserhähnen, alten Toiletten, Bidets und Rohren – wir haben uns jedenfalls amüsiert.

Danach geht es noch in einen der musealen Klassiker, das MALBA (Museo de Arte Latinoamericano). Hier dreht sich alles um zeitgenössische lateinamerikanische Kunst, vor allem die aktuelle Ausstellung der chilenischen Künstlerin Cecilia Vicuña beeindruckt uns. Einzig die für mein Empfinden zu kühle Klimaanalage treibt uns wieder auf die Straße, ansonsten definitiv ein Ort, um ein paar Stunden zu verweilen.

Den Abend verbringen wir mit Freunden (auf die Gefahr hin, dass es langweilig wird: es gibt natürlich asado mit 4-5 verschiedenen Rind-Spezialitäten), heute ist schon unser letzter Tag in Capital. Wie gesagt, wir haben einiges ausgelassen, was sicher in jedem Reiseführer steht, z.B. La Boca, den Obelisco oder ein Tango-Event – aber das kennen wir schon von früheren Aufenthalten. Auf dieser Reise wollen wir mehr das ländliche Argentinien erkunden. Die nächste Station, Santa Rosa de Calchines, erwartet uns.

Unsere nächste Etappe startet am Bahnhof Retiro, wo sich auch der große Omnibusbahnhof befindet. Wenig mehr als 20,-€ pro Ticket kostet uns die rund 7-stündige Fahrt nach Santa Fe. Diese Überland-Busse sind außerordentlich komfortabel, eine echte Alternative zu einem Inlandsflug. Außerdem kann man den Blick schweifen lassen und zuschauen, wie sich schnell die Landschaft verändert; die Ausläufer der Metropole liegen hinter uns und Felder, Weiden und ab und an kleinere Ortschaften ziehen vorbei.

Am frühen Abend erreichen wir Santa Fe, wo uns Freunde herzlich in Empfang nehmen – und es geht sofort weiter, nach knapp 50 Autominuten erreichen wir Santa Rosa de Calchines. In diesem Ort, nahe am Rio Parana gelegen, haben Luis‘ Großeltern gelebt. Hier scheint ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein, die meisten Straßen sind sandig und nicht geteert, alles sieht einfach und (vielleicht deshalb) sehr sympathisch aus. Hunde, Katzen, Menschen genießen die lauen Sommerabendtemperaturen, Autos fahren hier nur Schritttempo – ein Gefühl der Entschleunigung stellt sich ganz automatisch ein.

Die Cabañas Vieja Ribeira, wo wir ein kleines Ferienhaus beziehen, spiegeln ebendiesen Flair wieder - Sommerurlaub auf dem Land. Wobei den Gästen hier mit einem Pool, einem Tennis-/Paddel-Platz und natürlich einem Fußballplatz auch so etwas wie Luxus geboten wird. Zum Abendessen gibt es selbstredend Fisch, schließlich befinden wir uns in einem der beliebtesten Angelgebiete Argentiniens.

Am nächsten Morgen werde ich von Vogelgezwitscher geweckt – die Anlage scheint noch zu schlafen, ich rolle meine Yogamatte unter dem Baum vor unserer Terrasse aus und freue mich auf „meine“ ersten 45 Minuten am Morgen nur für mich. Daraus wird nur bedingt etwas, weil sich neben zahlreichen Insekten auch diverse Hunde freuen, mich zu sehen. Und die Matte einfach mitbelegen und mir freundlich durchs Gesicht schlecken – so what, bei Yoga und Meditation geht es schließlich hauptsächlich um „Akzeptanz dessen, was gerade ist“. Und so wird es ein großartiger Start in einen aufregenden Tag.

Zur ersten Kuriosität des Samstages wird schon die Einkaufstour mit Luis und seinem Cousin Diego. Jeder der den Film „El Ciudadano Illustre“ gesehen hat, weiß was ich meine. Mit einem Sohn des Dorfes, der es ins Ausland geschafft hat und nach langer Zeit auf Heimatbesuch ist, kann man nicht „mal eben“ in den Supermarkt. An jeder Ecke kommen Kindheitserinnerungen auf, hinter vielen Türen warten Menschen mit gemeinsamer Vergangenheit auf ein zumindest kurzes Wiedersehen. Außerdem gibt es hier keinen Discounter, sondern wie früher die kleinen Läden, wo jeder auf bestimmte Waren spezialisiert ist.

Dann kommt das Highlight: Wir haben eine Bootstour durch das Delta gebucht. Wir durchstreifen ein Gebiet, wo der Mensch eine wirklich untergeordnete Rolle spielt – im Gegensatz zum Delta del Tigre treffen wir hier nur ab und zu auf ein kleines Anglerboot, ansonsten nichts als Wasser und Pflanzen soweit das Auge reicht. Es ist gerade besonders viel Wasser da, das Fluss- und Sumpfgebiet scheint unendlich groß und weit, ein Großteil der eigentlichen Landfläche steht fast vollständig unter Wasser. Schon nach 10 Minuten bin ich sicher, dass wir ohne unseren Guide Cristian nie wieder zurückgefunden hätten. Die Flora ist beeindruckend, und wer sich für Vögel interessiert kommt definitiv auch auf seine Kosten. Hier und da schauen uns Rinder von den Inseln aus hinterher – die Bauern treiben die Tiere bei Trockenzeit auf diese Flächen, und wenn das Wasser sich ausbreitet, bleiben sie für einige Monate auf den Inseln sich selbst überlassen. Bei einem Landgang macht uns Cristian mit den Nestbaukünsten einiger Vögel, den Eiablagen von Riesenschnecken und den Spuren von Carpinchos (Wasserschweine) vertraut.

Dann fahren wir weiter, und plötzlich breitet er sich vor unseren Augen aus: der Rio Parana. Man könnte meinen, es handelt sich um einen See: schlammig braun-rotes Wasser so weit das Auge reicht. Und dort, am anderen Ufer, befindet sich schon die Provinz Entre Rios. Nachdem wir auch dort kurz an Land gehen und die Sandsteinformation bewundern, geht es nach gut 3 Stunden wieder zurück. Natürlich mit einem leichten Sonnenbrand – aber glücklich und erfüllt von den Bildern dieser wundersamen Flusslandschaft.

Der Abend wird zum Familientreffen – ich glaube ich brauche nicht erwähnen, was es zum Essen gab...

Am nächsten Morgen fällt meine Yogaeinheit sehr kurz aus – ein brachiales Gewitter zieht über den Ort, es windet und stürmt und der Regen peitscht über die Anlage. Später bricht der Himmel binnen wenigen Minuten wieder auf, und es ist so heiß und sonnig wie eh und je. Beim Mittagessen verabschieden wir uns von Cousins und Cousinen, es gibt – nein, ich sag es lieber nicht. Immerhin mit Salat und torta frita – vielleicht schaffe ich es heute ja doch mal vegetarisch.

Ein Spaziergang durch das am frühen Nachmittag menschenleere Dorf beschenkt uns mit vielen schönen Impressionen und Erinnerungen – immer begleitet vom Gezwitscher der zahlreichen Vogelarten und den überall streunenden Hunden. In der Eisdiele des Dorfes sind wir vermutlich die ersten Kunden des Tages, im Moment jedenfalls die einzigen. Die junge Eisverkäuferin Brisa (was für ein schöner Name) nutzt die Gelegenheit uns kennenzulernen – Gäste aus Europa sind offenbar eine kleine Sensation. Meinen Namen findet sie besonders lustig, und als sie sich zum Abschiedsfoto zwischen mich und Claudio stellt hat sie offenbar das Gefühl, zwischen zwei Riesen zu stehen. Das Foto geht hier im Ort vermutlich viral J.

Um die nächste Straßenecke ein weiterer anekdotischer Ort aus früheren Zeiten: Hier steht die alte Möhren-Waschstation („lavadero de zanahoria“). Santa Rosa war bekannt für seine Möhrenplantagen, und bevor diese zum Transport auf Lastwagen geladen wurden, wurden sie vom Sand befreit. Hier hat Luis‘ Onkel viele Jahre gearbeitet, und der Erzählung nach hat der Sand, der von den Möhren gewaschen wurde, eine eigene kleine Insel im Flussdelta gebildet.

Nach einem entspannten Spätnachmittag in der Anlage machen wir uns abends zu Fuß auf den Weg zum (einzigen) Restaurant. Der Hund, der schon die letzten Stunden auf unserer Terrasse verbracht hatte, springt sofort auf und begleitet uns. Wir denken, er wird wohl bis zur nächsten Ecke mitkommen und dann kehrt machen – weit gefehlt. Er kommt die gesamten 15 Minuten mit und passt auf, dass seine Herde zusammen bleibt. Im Restaurant legt er sich unter unseren Tisch und erst als wir uns auf den Rückweg machen, ist er wieder wach und begleitet uns treu zurück zur Cabaña. Schade, dass wir morgen schon wieder abreisen – findet der Hund womöglich auch, denn wir belohnen seine Treue mit einem fürstlichen Abendmahl.

Ein wunderschönes Wochenende auf dem Land neigt sich dem Ende zu, unsere nächste Station ist Santa Fe Capital.

Am Morgen heißt es also wieder packen, und für’s erste auch Abschied nehmen von der ländlichen Umgebung. Luis‘ alter Studienkollege Victor holt uns ab, und wir brechen auf nach Santa Fe, einer mit über 500.000 Einwohnern größeren Städte des Landes (und der Provinz Santa Fe). Am Straßenrand ziehen hier und da kleine Obst- und Gemüsestände, zum Grasen angeleinte Pferde und Felder vorbei. Dann werden die Behausungen immer zahlreicher, die Straße breiter und alles Ländliche verschwindet aus dem Panorama. Die Großstadt baut sich am Horizont auf, und als wir die Hängebrücke „Puente Colgante“ über die Laguna Setúbal überqueren, sind wir endgültig in der Stadt angelangt.

Dieser Aufenthalt steht ebenfalls ganz im Zeichen der Familienhistorie, hier ist Luis zur Schule gegangen, hat beinahe eine Karriere als Profi-Fußballer gestartet und das Sportlehrerstudium abgeschlossen. Wir logieren im Barrio Sur in einem kleinen Apartment, direkt um die Ecke von Luis‘ ehemaligem Elternhaus. Es gibt also viele Orte, die mit persönlichen Erinnerungen und Geschichten verbunden sind – und viele Menschen, die damals eine wichtige Rolle gespielt haben. So kommen wir dann auch 3-mal in den Genuss einer Autotour durchs Viertel, jeweils mit einem neuen „Guide“, der uns exakt die gleichen Highlights erklärt – vorsichtige Hinweise, dass wir diese Orte schon gesehen haben, können die Euphorie nicht bremsen. Eine gute Gelegenheit, die Achtsamkeitsqualitäten „Geduld“ und „Loslassen“ zu praktizieren…

 Gleich am ersten Abend treffen wir uns beim alten Studienkollegen Viktor mit drei weiteren Ex-Kommilitonen. Es werden zahlreichen alte Anekdoten und Geschichten ausgetauscht – und zum Essen wird (haha) gegrillt. Aber diesmal Fisch – 3 riesige Doraden schmoren gut 2 Stunden auf dem Rost. Und werden zusammen mit diversen Salaten als „Carancheada“ serviert. Ein „Carancho“ ist ein aasfressender Vogel. Also stehen der gegrillte Fisch und die Salatschüsseln in der Mitte des Tisches, und alle picken mit ihren Gabeln was sie kriegen können – wie die Aasgeier eben. Es war köstlich!

Am nächsten Morgen entlädt sich ein brachiales Gewitter über der Stadt, unglaubliche Wassermassen und starker Wind machen einen Ausflug unmöglich. Aber am frühen Nachmittag hört es auf, und wir starten eine kleine Tour durch die City. In der langen Fußgängerzone der Stadt mit zahlreichen Shops aller Art kommen auch Shopping-Interessierte auf ihre Kosten. Wir treffen Franco Colella, auch ein alter Jugendfreund, dessen Vater eine kleine, feine Bäckerei im Barrio Sur betrieb. Mittlerweile ist der Name Franco Colella in der ganzen Stadt bekannt – bei 12 Filialen mit Café-Betrieb und Waren in exquisiter Qualität kein Wunder. Wir kommen in den Genuss Pirulinos zu probieren, eine Backspezialität mit Dulce de Leche – einfach köstlich. Zusätzlich finden sich im Menu auch vegane Spezialitäten und ich gönne mir mit „Veganisimo“ ein vitaminreiches und köstliches Mahl. Noch mehr Bonuspunkte sammelt die Bäckerei bei mir mit einem echten Vollkornbrot, das den Namen auch verdient. Eine wahre Rarität in Südamerika.

Der nächste Tag startet mit strahlend blauem Himmel und wieder sehr hochsommerlichen Temperaturen. Also Yogamatte unter den Arm und auf geht’s zum Parque del Sur, einer großen Grünanlage am Río Coronda, wo sich bereits zu dieser frühen Stunde viele sportbegeisterte Santafesinos tummeln – und auch schon die ersten Sonnenanbeter auf Liegestühlen die Morgensonne genießen und Mate trinken. Für mich gibt es keinen besseren Start in den Tag, Yoga und Meditation an der frischen Luft, Wasser- und Blätterrauschen als Geräuschkulisse, einfach großartig.

Und dann kommt eine ganz besondere Aktion. Unser Freund und Lokaljournalist Hugo Isaac hat einen Besuch im Stadion des Club Atletico Colón organisiert. Eine einmalige Gelegenheit, die Trainingsanlagen und den Innenbereich des Stadions zu erkunden, das wird nicht vielen zu teil. Wir bewundern gerade den Wassergraben, der das Spielfeld fast ganz umrandet und in dem kleine „Sábalos“ schwimmen – nach diesen Fischen sind die Fans des Clubs benannt (Sabaleros) – da kommt die große Überraschung hereingeschritten: Ernesto „Bambi“ Araoz, der Spieler mit den meisten Ligaspielen für Colon (284!), der zu Luis‘ Zeiten aktiv war und auch gegen Diego Maradona gespielt hat. Gemeinsam mit Franco Colella, ebenfalls lange aktiver Spieler des Clubs, wird nun erst recht in Erinnerungen an die großen Zeiten von Colon geschwelgt.

Dieses sehr besondere Erlebnis feiern wir mit einem üppigen Fischmenu im legendären Restaurant „Quincho de Chiquito“. Direkt am Ufer der Laguna Setúbal gelegen, ist dieser wundersame Ort nicht nur für seine Fischspezialitäten berühmt. Der Innenraum ist quasi gepflastert mit Fotos von lokalen Sport- und Kulturhelden wie der Cumbia-Band Los Palmeras, den Boxern Chino Maidana und Carlos Monzon, aber auch Alain Delon ist auf einigen Fotos zu sehen, aufgenommen bei einem seiner Besuche in der Stadt. Außerdem verschieden Altare zur Heiligenverehrung, wobei einer hier durch ganz besondere Opfergaben heraussticht: Der Altar ist voller Zigaretten. Nun gut, jedem das Seine.

Nach dem Essen brauchen wir dringend Bewegung. Wir mieten an einer der vielen Fahrradstationen Räder aus – das funktioniert ganz einfach via App und ist außerdem noch gratis. Wir überqueren die berühmte Hängebrücke (eine Mini-Version der Golden Gate Bridge in San Francisco) und machen eine kleine Siesta am Strand. Hier tummeln sich zahlreiche Badegäste, Stand up Paddler, Kanuten und Angler – und jede Menge Matebecher und Thermoskannen. Diese wunderschöne Tradition, zusammen sitzen, sich unterhalten und dabei den Mate kreisen lassen, ist hier überall präsent.

Vielleicht passt an dieser Stelle auch ein kleiner Exkurs zu den Menschen hier in Argentinien: in meiner Wahrnehmung ein unfassbar gastfreundliches, immer hilfsbereites und sehr herzliches Volk mit viel Humor. Die aktuelle politische und soziale Lage ist ja wahrhaftig dramatisch, über 40% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, das treibt natürlich die Straßenkriminalität an und die Inflation trifft eh alle bis auf wenige Superreiche sehr hart. Daran könnte man verzweifeln. Davon ist aber nicht viel zu sehen, es wird gelacht und gescherzt, Dankbarkeit für die kleinen Freuden praktiziert und das Leben geht weiter – irgendwie. Einem Argentinier den Begriff „Wutbürger“ zu erklären dürfte unmöglich sein.

Ein Spaziergang entlang der alten Hafenanlage zeugt vom früheren Glanz der Stadt, als hier an einem der größeren Binnenhäfen des Landes vor allem Getreide verladen wurde. Der Großteil der Anlagen liegt brach, ein kleiner Teil des Hafens ist aber auch noch in Betrieb. Wo wir schon über Nostalgie sprechen, sehr präsent im Straßenbild sind Fahrzeuge, die in Europa sicher keine Zulassung mehr bekommen würden – die aber ganz offensichtlich noch fahrtüchtig sind und zum Teil abenteuerlich umgebaut wurden.

Den letzten Abend verbringen wir im Biergarten der Cerveceria Santa Fe. Eine wunderschöne Location, wo man das angeblich größte „Cervecoducto“ des Landes bewundern kann und qualitativ gutes Fastfood mit frisch gebrautem und gezapftem Bier genießen kann. Sogar einen richtig guten Veggie-Burger habe ich bekommen. Und ein Gin Tonic für 2,50€ ist anderswo auch schwer zu bekommen. Ein gelungener Abschluss für unseren Aufenthalt in der Stadt. Unsere nächste Station wird die Provinz Cordoba sein – back to nature…

Um 8h morgens geht es los, mit der Busgesellschaft „El Práctico“ brechen wir auf Richtung Córdoba. Wir haben die absoluten Premiumplätze oben und vorne am Panoramafenster. Also Stuhl zurückklappen, Mate auspacken und die Aussicht genießen – bequemer geht reisen doch eigentlich nicht. Wieder ziehen grüne Weidelandschaften an uns vorbei, sehr viele Kuhherden und ab und an eine Ortschaft. Nach 4 Stunden Fahrt sind zum ersten Mal am Horizont die Bergketten der Sierras de Córdoba zu sehen. Und dann, nach rund 5 Stunden, die Wolkenkratzer der Großstadt. Córdoba City ist mit ca. 2 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Stadt Argentiniens, hier befindet sich auch die älteste Universität des Landes.

Ganz sicher wäre die Metropole auch einen Aufenthalt wert, aber vielleicht lieber nicht im Hochsommer. Deshalb verlassen wir die Stadt direkt wieder und lassen uns nach Cabalango bringen, eine kleine Ortschaft im Süden des Valle de Punilla und ganz in der Nähe von Villa Carlos Paz. Es ist Wochenende und an der Hauptpromenade ist ordentlich was los, der „Strand“ ist gut gefüllt und Restaurants und Shops gut besucht. Wir haben zum Glück ein Apartment im ruhigeren Teil der Ortschaft gemietet. Das Häuschen ist, freundlich gesagt, etwas „Vintage“. Will sagen, sieht aus als ob seit den 60er Jahren hier nichts mehr erneuert worden ist – aber egal, wir werden den Großteil der Zeit ja eh draußen verbringen. Und der Ausblick von der Terrasse ist wunderschön.

An unserem ersten Nachmittag erkunden wir die nähere Umgebung, finden auch schnell den nächsten Zugang zum Fluss – hier ist deutlich weniger los als an der Promenade, es sieht so idyllisch aus, viele Familien und kleinere Gruppen sitzen an den Stränden, auf den Steinen oder direkt im Wasser und, wie in Argentinien üblich, wird sich unterhalten und viel gelacht und selbstredend kreist der Mate, niemand hier ist ohne Thermoskanne und Mate unterwegs.

Einen kleinen Supermarkt finden wir auch direkt um die Ecke, und eine Art Fensterverkauf für Empanadas – ungelogen die besten, die wir bisher probiert haben - und wir haben im Grunde jeden Tag Empanadas gegessen, diese gefüllten Teigtaschen gehören ganz einfach zum kulinarischen Standardprogramm hier. Die traditionelle Füllung besteht aus Hackfleisch (wobei jede Region auch hierfür eigene Rezepte hat), aber es gibt sie auch mit Huhn, Fisch, Mozzarella-Tomate und Gemüse. Hier werden sie ganz frisch zubereitet und frittiert, wirklich köstlich. Dazu unser spektakulärer Ausblick von der Terrasse auf die Sierras, da stellt sich sofort ein entspanntes Glücksgefühl ein. Seit unserer Ankunft am Haus haben wir eine treue Begleiterin: eine Hündin hat sich uns offenbar als neue Familie ausgesucht und weicht uns nicht von der Seite. Laut unseren Vermietern „una de la calle“, ein Straßenhund. Wir schließen sie sofort ins Herz, außerdem humpelt sie stark, scheint sich kürzlich verletzt zu haben. Ansonsten ist sie besser erzogen als die meisten Stadthunde die ich kenne, also kochen wir eine Portion Risotto mehr und nachdem sie sich satt gegessen hat schläft sie auf der Matte vor unserer Tür.

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf zu einer kleinen Wanderung, im Internet werden die „3 cascadas“, die drei Wasserfälle, als Highlight gepriesen und laut Karte dürfte das ein ca. 1,5 stündiger Weg sein. Die pechschwarze Hündin, die mittlerweile auf den Namen „Negra“ hört, lässt sich nicht davon abbringen, uns zu begleiten. Und humpeln tut sie auch kaum noch, also scheint die Verletzung zum Glück nicht so schlimm zu sein. Wir gehen zunächst flussaufwärts, es sind noch keine Menschen unterwegs, dafür viele wunderschöne Vögel, die mit ihrem Gezwitscher die musikalische Untermalung gestalten. Die Landschaft ist sehr malerisch, das Wasser ganz klar, die vielen Steinformationen faszinierend und die Flora rundet das Bild mit vielen verschiedenen Grüntönen und bunten Blüten ab. Ein kleines Abenteuer kommt dann doch noch – das Ufer bietet uns kein Weiterkommen an und wir versuchen zurück auf den richtigen Weg zu gelangen, laut Karte nur ein paar hundert Meter entfernt. Also querfeldein, sollte doch kein Problem sein. Als sich uns aber ein mächtiges Pferd anschließen möchte, wütendes Hundegebell immer näher kommt und das Pflanzendickicht immer dichter wird, wird es uns doch ein bisschen mulmig. „Unser“ Hund führt uns aber am Ende durch den Dschungel, und bevor das neugierige Pferd zu uns aufschließen kann, klettern wir über ein Mäuerchen und sind wieder auf dem Weg. Die „3 cascadas“ erweisen sich als, nun ja, maximal 2 Meter hohe „Wasserfällchen“. Egal, die Landschaft ist wirklich bezaubernd und wir pausieren ein Weilchen, um in Ruhe die Umgebung und die vielen Vögel zu beobachten. Die umgerechnet 50 Cent Eintritt, die hier kassiert werden, haben sich also trotzdem irgendwie gelohnt.

Am Nachmittag bekommen wir Familienbesuch, eine Cousine väterlicherseits, die Luis seit über 50 Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie bringt viele Anekdoten und einige Fotos aus lang vergangenen Zeiten mit, ein sehr emotionaler und berührender Moment. Gemeinsam mit ihr und ihrem Sohn gehen wir dann zum Fluss, um Mate zu trinken und die sommerlichen Temperaturen zu genießen. Den Samstag runden wir abends mit einem Asado ab, gemeinsam mit Freunden, die extra aus Villa Carlos Paz anreisen. Da freut sich auch unsere „Negra“ über ein reichhaltiges Abendessen, das Fleisch scheint ihr doch besser zu schmecken als das Hundefutter, das wir natürlich besorgt hatten.

Am Sonntag mache ich mich früh auf, um meine morgendliche Yoga- und Meditationsroutine am Flussufer zu praktizieren. Es tröpfelt zwar ein bisschen, aber unter einem Baum am Strand lässt es sich gut aushalten. Da sich der Vormittag weiterhin bewölkt zeigt, bietet sich eine weitere kleine Wanderung an. Diesmal orientieren wir uns in Richtung der Sierras, um die Umgebung einmal von oben zu betrachten. Die Vegetation ist üppig, die Luft frisch und voller verschiedener Gerüche. Vorbei an weidenden Pferden und Kühen schlängelt sich der Weg stetig bergauf. Oben angelangt eine kleine Siedlung mit gepflegt aussehenden Gemüsegärten, Gewächshäusern und Holzhäusern – mehrere große rot bemalte Herzen aus Holz hängen in den Bäumen und suggerieren ein herzliches Willkommen. Auf Menschen treffen wir allerdings nicht, dafür bietet sich uns ein wunderschöner Ausblick auf das Valle de Punilla.

Schon auf dem Rückweg bricht der Himmel auf, und mit der Sonne kommt die Hitze. Also verbringen wir unseren letzten Nachmittag hier am bzw. im Fluss. Negra begleitet uns, beim Übergang von einem Ufer zum anderen stellt sie sich auch deutlich geschickter an als wir. Immer wieder kommen mobile Händler vorbei und bieten köstliche Pastellitos oder Churros an. Die warmen Steine bieten eine bequeme Unterlage, und eigentlich wollen wir hier gar nicht mehr weg. Absolutes Strandurlaub-Feeling! Als wir uns am späten Nachmittag auf den Heimweg machen, gibt es noch ein Abschiedsfoto mit Hund – ich weiß wirklich nicht, wie wir uns morgen Mittag von ihr trennen sollen. Es bricht mir jetzt schon das Herz, wenn ich könnte, würde ich sie mitnehmen. Immerhin können wir ihr noch ein paar Stunden Liebe, Heim und Futter schenken… Ein wunderschönes Sommerwochenende auf dem Land neigt sich dem Ende zu, und wir stoßen an mit einer weiteren Spezialität, die es vermutlich nur in Argentinien unter die Top-Drinks geschafft hat: Fernet-Cola. Gewöhnungsbedürftig, aber sehr erfrischend und irgendwie auch lecker. Schmeckt aber wahrscheinlich nur hier.

An dieser Stelle vielleicht ein kleiner Exkurs, denn dank Internet bekommen wir natürlich mit, was anderswo auf der Welt geschieht. Die jüngsten Enthüllungen über die Denkspiele der Ultra-Rechten haben uns sehr erschüttert. Mit großer Freude verfolgen wir die zahlreichen Demonstrationen gegen Faschismus in ganz Deutschland-im Herzen sind wir dabei und stehen mit allen Demokrat*Innen auf der Straße!

Und zweiter Zusatz, bevor wir das Kapitel Cabalango endgültig beenden: Kurz vor unserer Abfahrt erfahren wir von unseren Vermietern, dass sich doch jemand zumindest ein bisschen um „Negra“ kümmert. Die junge Frau ist nur übers Wochenende unterwegs, um ihre Keramik zu verkaufen. Das erleichtert uns den Abschied enorm!

Am Montag den 22.1. werden wir am Mittag von Luis‘ altem Studienfreund Ernesto (genannt „El Indio“) in Cabalango abgeholt. Die nächsten Tage werden wir bei ihm und seiner Frau Teresa (genannt „Tere“) in Villa Carlos Paz verbringen. Auf die Gefahr hin dass ich mich wiederhole, ich finde die Gastfreundschaft hier wirklich besonders, die alten Freunde reißen sich quasi darum, uns einzuladen und einzuquartieren, obwohl sie Luis ja zum Teil seit Jahrzehnten nicht gesehen haben und Claudio und mich gar nicht kennen.

Schon nach knapp 20 Minuten Fahrt durch hügeliges Land sichten wir den Ferienort, der sich sehr organisch in die dicht bewaldete Gegend einpasst. Villa Carlos Paz liegt malerisch am Lago San Roque, der wiederum vom Rio San Antonio mit Wasser gespeist wird. Aktuell ist Wasser allerdings knapp, der Klimawandel führt auch hier in der Region zu ungewöhnlich wenig Regenfall und entsprechender Dürre.

Nachdem wir unsere hübsche Einliegerwohnung bezogen und Nachmittagsschläfchen gehalten haben, erkunden wir ein bisschen den Ort. Jetzt in der Hochsaison sind sehr viele Touristen hier, das hauptsächlich mit kleinen Giebelhäuschen und Bungalows bestückte Städtchen platzt aus allen Nähten. Auf die knapp 60.000 Einwohner kommen ca. 2 Mio. Touristen jedes Jahr. Und auf der Vergnügungsmeile im Zentrum kommt fast ein bisschen „Lloret de Mar“-Feeling auf: Geschäfte aller Art, Eisdielen, Restaurants, Bars, Theater buhlen um die Gunst der hier schlendernden Besucher. Unser erstes Ziel ist die berühmte Kuckucksuhr („el reloj Cu Cú“), die hier tatsächlich etwas fehl am Platz wirkt und wohl von aus Deutschland eingewanderten Ingenieuren in den 50er Jahren gebaut wurde. Kurios auch die traditionsreiche Konditorei „El Nazareno“: Das Gebäude sieht außen wie innen eher aus wie eine Kirche, die Fassade ist mit Bibelzitaten bestückt, und das Warenangebot wahrhaft exquisit. Wir erwerben ein Möhre-Hafer-Honig-Brot, eine willkommene Abwechslung zu dem sonst allgegenwärtigen Weißbrot. Und abseits der Touristenmeile im Zentrum macht es Freude, durch den Ort zu spazieren, vorbei an gepflegten Gärten und den vielen in weißer, roter, rosafarbener und violetter Blüte stehenden Bäumen.

Der Aufenthalt hier bietet uns gute Gelegenheit, das Leben der Einheimischen hautnah mit zu erleben, da wir ja direkten Familienanschluss haben. Am Abend haben Ernesto und Tere die gesamte Familie zum Asado(jetzt ist es glaube ich langsam nicht mehr lustig) eingeladen: Die Mütter der beiden Gastgeber, Ernestos Sohn und Tochter jeweils mit Partner und die vier Enkelkinder – alle wollen uns kennen lernen. Erster grundlegender Unterschied zu europäischen Gepflogenheiten: die Uhrzeiten. Nur zur Erinnerung, heute ist Montag. Die Gäste werden gegen 21:30h erwartet (die Kinder sind alle im Grundschulalter). Es wird schnell trubelig, es wird geherzt, geküsst, umarmt, man kommt sofort miteinander und in wechselnden Konstellationen ins Gespräch. Nach und nach wird die „Picada“ serviert – verschiedenes Fingerfood, gegrillter Käse, Chorizo und so weiter. Absolut lockere Atmosphäre, die Kinder springen munter herum – als würden wir quasi jede Woche so zusammen kommen. Erst um 23h setzen wir uns zum „richtigen“ Essen an den Tisch, es gibt „asado al disco“: das zuvor langsam gegrillte Fleisch wird mit viel Gemüse und Weißwein in einem gusseisernen Topf auf dem Feuer geschmort. Um Mitternacht beginnt dann der musikalische Teil, Luis hat ja extra seine Gitarre und Anlage dabei, um all die alten Freunde und Bekannten mit seiner Kunst zu unterhalten; ein kleines Dankeschön für die Herzlichkeit und Großzügigkeit, die uns hier überall entgegengebracht wird. Dann gibt es noch Nachtisch (zu dem wir die aus Deutschland mitgebrachten Haribo-Weingummi-Spezialitäten beisteuern, die hier ein abolutes Highlight darstellen); und um 2h nachts bin ich die Erste, die aufgibt und sich ins Bett verabschiedet – die Kinder und auch die Großmütter sind noch fit. Ein wunderschöner erster Abend hier!

Dementsprechend spät beginnt der nächste Tag, eigentlich wollten wir früh aufbrechen zu einer kleinen Wanderung über den „100-Kurven-Weg“ zum Stausee Dique San Roque. Was soll’s, heute also Yoga erst um 9:30h (die Terrasse liegt zum Glück morgens noch im Schatten) und zu unserem Ausflug brechen wir eben erst mittags auf. Der Weg wird im Netz als sehr malerisch beschrieben, da sich immer wieder Aussichtspunkte auf den See bieten. Was uns allerdings nicht klar war: es handelt sich um eine Autostraße - das Konzept „zu Fuß gehen“ ist hier offenbar nicht vorgesehen. Wir halten trotzdem tapfer durch und erreichen den Stausee, der die Metropole Cordoba mit Wasser und Energie versorgt, nach gut 7km. Hier gibt es verschiedene Geschäfte mit Andenken und indigenen Artikeln (der Stamm der Comechingones ist in Córdoba verwurzelt), bunt geschmückte Lamas und Zwergpferde warten auf Touristen, die sich mit ihnen fotografieren lassen möchten. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen, trinken Mate und genießen den Ausblick. Zurück buchen wir allerdings lieber ein Uber, nochmal mit den Autos und Lastwagen auf der asphaltierten Straße zu verkehren erscheint uns wenig attraktiv. Der Fahrer, den wir schließlich durch herumfragen ausfindig machen, gehört laut eigener Aussage zum „pueblo original“, also der indigenen Bevölkerung an. Er hält uns einen sehr politischen Diskurs über den Ausverkauf des Landes an ausländische Großunternehmen und die seit Jahrzehnten grassierende Korruption in der Politik. Wer möchte ihm da widersprechen. Wieder im Apartment ruhen wir uns ein bisschen aus, denn am Abend erwartet uns eine weitere Überraschung.

Wir haben Theaterkarten für die Show „Miguel y Chino en Banda“ – und besagter Miguel ist ein Kindheitsfreund von Luis aus Santa Fe, der schon zu Studienzeiten seine Karriere als Komiker begonnen hat und mittlerweile in Argentinien und auch anderen Ländern Südamerikas sehr bekannt ist. Um 21:30h beginnt die Show, wir sitzen in der ersten Reihe und kaum auf der Bühne, begrüßt Miguel seinen alten Freund persönlich übers Mikro: Standing Ovations für den Besuch aus Deutschland! Die Show ist wirklich gut gemachter Klamauk, sehr abwechslungsreich mit Musik, Magie und viel derbem Humor, meine Lachmuskeln sind am Ende überstrapaziert. Außerdem darf ich als „La austriaca que se rie aún no entiende nada“ (= „die Österreicherin die sich kaputt lacht obwohl sie kein Wort versteht“) mehrmals als Gag-Einlage herhalten. Danach machen wir uns beseelt auf den Weg zum Restaurant (ja, hier bekommt man auch um Mitternacht noch warme Küche), wo Miguel mit drei weiteren Künstlern zu uns stößt und wieder einmal viele alte und neue Geschichten ausgetauscht werden. Erst um 3h fallen wir todmüde und von den vielen schönen Erlebnissen erfüllt ins Bett.

Der Mittwoch zeigt sich wettertechnisch von seiner besten Seite, strahlend blauer Himmel, gut 30° C werden erwartet - perfekt für einen Badeausflug. Nach einem späten Frühstück brechen wir mittags gemeinsam mit Ernesto und Tere auf zu „Tio Joe Beach“, einem Privatstrand im Nachbarort. Die Anlage verfügt über ein Bistro mit überdachter Terrasse, einen Pool, privaten Zugang zum Fluss, eine Seilbahn und diverse Sportattraktionen. Und einen DJ, der die ganze Anlage mit Technomusik beschallt. Für unsere Mate-Runde suchen wir uns einen Platz etwas abseits am Flussufer – wobei sich der Weg über die Steine und durch den Fluss als nicht ganz einfach gestaltet. Am Ende schaffen es alle unverletzt, nur ein paar Flip-flops müssen dran glauben und die Kühltruhe wäre uns beinahe verloren gegangen. Hier hören wir die Musik nur noch leise, dafür das Rauschen des Wassers direkt um uns herum, einfach spitze. Im klaren Flusswasser sitzen oder liegen, Quartz-Steine herausfischen oder sich auf den heißen Steinen aufwärmen, ein Sommertag könnte nicht schöner sein.

Als wir am Nachmittag wieder zur Anlage zurückkehren, wird der Tanzwettbewerb ausgerufen, der gleich am Pool stattfinden soll. Ich schenke dem Ganzen nur bedingt Aufmerksamkeit, bis die Paare gebeten werden, sich aufzustellen und ich feststelle, dass Luis uns angemeldet hat – na großartig! Am Ende ist es eine Riesengaudi, Ziel des Ganzen ist, zu den jeweiligen Latin- und Folklore-Rhythmen so exponiert und innovativ wie möglich zu tanzen, und wir schaffen es unter viel Gejohle und Gelächter auf den 2. Platz von ursprünglich immerhin 15 Paaren. Nicht schlecht, würde ich sagen.

Zum krönenden Abschluss nutzen wir noch den „Aerosilla“ (Sessellift), um uns in die luftigen Höhen der die Stadt umgebenden Bergketten zu begeben. Wir werden mit spektakulären Ausblicken belohnt, die jetzt im Abendlicht besonders zauberhaft wirken. Außerdem gibt es hier auch einige Lehrtafeln zur Flora und Fauna der Umgebung, und einen Glücksbrunnen – im Gegensatz zur Fontana di Trevi finden sich hier aber keine Münzen (die gibt es gar nicht mehr in Argentinien), sondern eher 200 Peso-Scheine. Die Inflation ist wirklich überall präsent.

Ein wunderschöner Sommertag hier in Córdoba neigt sich dem Ende zu, den Abend verbringen wir mit Pasta Fresca, Malbec und Musik mit unseren Freunden - hoffentlich gibt es bald Gelegenheit, dass wir uns wiedersehen und wir vielleicht die Gastfreundschaft zurückgeben können. Wobei, dass sollte hier nicht unterschlagen werden, eine Reise nach Europa für den Großteil der Bevölkerung aktuell absolut nicht finanzierbar ist. Obwohl beide Lehrer sind, mussten sie in diesem Jahr auf Urlaub komplett verzichten, auch eine Reise im Inland ist einfach nicht drin. Man kann diesem Land und seinen Menschen wirklich nur von Herzen wünschen, dass sich die Lage stabilisiert.

Nun heißt es wieder Koffer packen, unser nächstes Ziel ist Bariloche in Patagonien. Die „argentinische Schweiz“ wird unser letztes Ziel in Argentinien sein…

 

Die Entfernung zwischen Córdoba und Bariloche beträgt rund 1.500km. Wir fliegen von Córdoba Richtung Süden, betrachtet man allerdings die gesamte Region Patagonien (die mit einer Fläche von rund 800.000kmschon doppelt so groß ist wie Deutschland), dann liegt Bariloche im Norden von Patagonien. Nach knapp 2 Stunden Flug und bereits während des Landeanflugs spektakulären Ausblicken auf die Landschaft, werden wir am Flughafen von unseren Freunden Marga und Julio auf’s Herzlichste begrüßt. Sie sind vor ziemlich genau einem Jahr aus Buenos Aires hierher gezogen, nachdem die Corona Pandemie in Kombination mit der galoppierenden Inflation den eigentlichen Plan, nämlich nach Spanien überzusiedeln, unmöglich gemacht haben.

Für die Umgebung hier spricht einiges: Bariloche wird auch die argentinische Schweiz genannt, die Cordillera der Anden ist eigentliche von überall aus zu sehen, dicht bewaldete Berge, mit glasklarem Wasser gefüllte Bergseen und meist malerische Holzhäuschen ergeben ein Landschaftsbild, für das mir die Worte fehlen. Traumhaft, faszinierend, erfüllend, inspirierend, beruhigend und spektakulär – all das gleichzeitig. Wir können uns gar nicht satt sehen.

Nach nur 20 Minuten Autofahrt erreichen wir den Ort San Carlos de Bariloche, den direkt am Nahuel Huapi See und am Fuss der Anden gelegenen Urlaubsort. Jetzt im Januar platzt auch dieses sympathische Städtchen aus allen Nähten, Hauptreisezeit eben. Bariloche empfängt das ganze Jahr über Touristen. Im Sommer kommen Extremsportler (Kajakfahrer, Gleitschirmflieger, Bergsteiger etc.), Forellen-Angler, Wanderer und Badegäste. Im Winter zieht das Wintersportzentrum Cerro Catedral, eines der größten und bedeutendsten Südamerikas, Skifahrer und Snowboarder an. Die Besucherzahl liegt bei bis zu einer Million Touristen pro Jahr. In Argentinien ist Bariloche auch für die Schokoladenproduktion sowie das deutsche und schweizerische Kulturerbe bekannt. Unter anderem finden wir hier auch eine „Bäckerei“ genannte Panaderia.

Angekommen in dem gemütlichen Holzhaus von Marga und Julio mit wunderschönem Ausblick auf Bergpanorama und den Nahuel Huapi See, in dem auch die zwei Hunde Mira und Frida sowie die Katzen Pluma und Krypi leben, gibt es erst mal Mittagessen und natürlich viel zu erzählen. Auch wenn es dank Internet heutzutage relativ einfach ist, den Kontakt über die Distanz aufrecht zu erhalten, ist der freundschaftliche Austausch „live“ eben doch etwas anderes. Vor uns liegen knapp zwei Wochen gemeinsamer Urlaub und die Beiden sind ganz heiß darauf, uns ihre neue Heimat zu zeigen. Am ersten Abend reicht die Zeit noch für eine kleine Rund-Tour (circuito chico) um einen Teil des Sees. Wir halten hier und da, überall wunderschöne Natur, alles blüht, und die Kombination aus Wasser und Bergen ist einfach wunderschön. Ein kleiner Fuchs kreuzt unseren Weg, am Ufer kommen uns zwei große Raubvögel (Caranchos) sehr nahe; dazu das Abendlicht, ein Traum. Hier im Süden sind die Tage jetzt sehr lang, erst nach 22h wird es langsam dunkel.

Am nächsten Tag starten wir nach Mate und Tostadas im Garten unseren Ausflug in den Nationalpark Nahuel Huapi. Wir bekommen einen ersten Eindruck von den Distanzen, „mal eben“ kommt man hier eigentlich nirgends hin. Eine gute Stunde sind wir unterwegs, davon eine gute halbe Stunde über steinige und staubige Schotterpiste, denn im Naturschutzgebiet wird natürlich nicht geteert. Ohne Allradantrieb ist man hier ziemlich aufgeschmissen. Und dann erreichen wir die erste Station, ein dicht bewaldetes Flussufer, glasklares Wasser, frische Bergluft – wie im Paradies. Die Sonne glitzert durch die Baumwipfel, Vögel zwitschern, Wasser rauscht. Damit könnte der Bericht zu Bariloche enden, egal wo wir uns aufhalten, es ist immer genau so. Von hier aus fahren wir nach kleiner Erkundungstour (wir sammeln noch ein paar Baumsamen, vielleicht haben wir Glück und können ein paar auf Mallorca pflanzen) und einer großzügigen Picknickpause fahren wir zum nächsten Ziel, den Wasserfällen. Faszinierend, wie sich die Wassermassen des Flusses hier vereinigen. Mitten im Wald nahe der Wasserfälle cascada los alerces trinken wir Mate und lassen die Seele baumeln. Dazu gibt es köstliche „facturas“, süße Backwaren, die wir auf dem Hinweg an einem der zahlreichen Straßenbuden gekauft haben. Am Abend machen wir Feuer im Garten, und grillen unser Abendessen, Lammkeule und Grillkartoffeln. Draußen hält man es auch wirklich nur noch am Feuer und mit Pullover bekleidet draußen aus, die Temperaturen sinken signifikant. Was für ein wunderschöner Tag!

Am Samstag machen wir uns am Vormittag auf zum Lago Gutierrez, einem kleineren See in der Nähe, wo das Wasser eher zum baden einlädt, weil es nicht ganz so kalt ist wie die größeren Seen hier. Da wir früh da sind, können wir eine kleine Bucht mit unseren Stühlen für uns reservieren, und einen Picknicktisch direkt am Ufer. Daran muss ich mich erst gewöhnen, hier kommt immer erst die Muße und das Vergnügen, aus dem Auto raus direkt auf den Stuhl, Sonne ins Gesicht, Mate trinken, quatschen, vielleicht ein bisschen dösen. Während ich dachte, „una caminata“ hat etwas mit „sich sportlich betätigen“ zu tun - in Deutschland heißt es eben „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Also mache ich mich zunächst alleine auf den Weg in den Wald, ein paar Spazier- und Wanderwege sind ausgeschildert, ich wähle den kürzesten Richtung Wasserfall. Viele Lerntafeln erklären die Flora und Fauna des Naturschutzgebietes, auch auf die hier lebenden Pumas wird hingewiesen. Ich hoffe darauf, dass diese nachtaktiv sind und gehe mutig weiter. Die riesigen sicherlich sehr alten Bäume und die vielseitige Flora und Fauna machen den Spazierweg zu einem wahren Traumpfad. Später machen wir uns alle gemeinsam auf den Weg durch den Urwald Richtung Playa Muñoz, doch nach knapp 2/3 der Strecke kehren wir um. Der Wald hat sich gelichtet, und in der prallen Sonne durch die fast wüstenartige Steppe zu laufen ist wenig attraktiv. Zurück am See brauchen wir definitiv ein Bad - hui, das Wasser ist wirklich sehr kalt aber nach der Wanderung ganz wunderbar erfrischend.

Ein kleiner Schock kommt dann noch am Abend, als Marga und ich mit Mira, der kleinen Hündin, spazieren gehen. Aus der Runde um den Block wird nichts, weil auf halber Strecke auf einmal zwei riesige Rüden aus einem wohl versehentlich offenen Tor geschossen kommen und Mira sofort attackieren. Wir versuchen die Kleine zu schützen, aber auch die beiden Mädchen, denen die Hunde gehören, können sie nicht zurückrufen. Mira entkommt und rennt die Straße zurück, dicht verfolgt von den wilden Kötern. Erst kurz vor unserem zu Hause geben die zwei Angreifer auf – es dauert eine ganze Weile, bis wir uns von dem Schock erholt haben. Zum Glück ist nichts schlimmeres passiert. Nach einem späten Dinner (guiso de arroz, ein Gemüseeintopf mit Reis) fallen wir alle todmüde ins Bett.

Am Sonntag lassen wir es gemütlich angehen, der Vormittag zeigt sich auch etwas bewölkt. Nur wir zwei Frauen haben Hummeln im Hintern und brechen am späten Vormittag zu Fuß auf, um einen Spaziergang am unterhalb des Hauses gelegenen Nahuel Huapi See zu machen. Erst über den Steinstrand und dann immer weiter am bewaldeten Ufer entlang wird aus dem Spaziergang eine kleine Wanderung. Erst als wir den Aufstieg zur Straße nehmen, um noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen, merken wir, wie weit wir uns von zu Hause entfernt haben. Da lassen wir uns doch lieber abholen, 5km an der dicht befahrenen, staubigen Straße entlang zum Minimarkt zu laufen, erscheint wenig attraktiv.

Am frühen Abend wollen wir eigentlich Kajak fahren, aber der recht heftige frische Wind und damit verbundener Wellengang machen das wenig attraktiv. Also Planänderung, wir fahren ins Stadtzentrum um bei Rapanui köstliches Eis zu essen und ein bisschen durch die belebten Straßen zu schlendern. In einer Buchhandlung reizen mich vor allem die zahlreichen Publikationen zur Geschichte und Lebensweise der Mapuche, dem hier in den Anden ansässigen und seit jeher sehr wehrhaftem indigenen Stamm. Aber bei so einer langen Reise zählt jedes Gramm, und gedruckte Bücher sind leider doch recht schwer. Abends gibt es von Julio selbst gemachte Vollkornpizza und Bier von der Zapfstation – köstlich!

Montag ist schon unser letzter Tag hier, das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite, heute sollte es doch klappen mit der Kajak-Tour. Wir sind um 11h die ersten Gäste an der Westseite des Gutierrez-Sees, und nach kurzer Einführung geht es los. Für mich die erste Erfahrung mit einem Kajak, es macht riesig Spaß. Auf dem glasklaren Wasser dahin gleiten, vor uns das Gebirge, am Ufer der dichte Wald und hier und da hübsche Holzhäuser. Die Stunde vergeht wie im Flug. Nach einem Imbiss im Lokal gegenüber brechen wir auf, denn am Nachmittag haben wir ein weiteres besonderes Erlebnis geplant.

Marga und Julio sind socios in einer jungen „comunidad“, einer Gruppe von Menschen, die gemeinsam mitten in der Natur weitgehend ökologisch und autonom auf einem großen Areal im Gebirge oberhalb von Bariloche leben wollen. Gemeinsam wurde hier bereits ein großes Seminar- und Wohnhaus in Stroh-Lehmbauweise gebaut, ein Gewächshaus und diverse weitere Gebäude. Es leben bereits ca. 15 meist junge Menschen hier, außerdem finden Seminare statt. Man sieht und spürt die Aufbruchsstimmung und Gestaltungsfreude überall, hier ist Platz für Träumer und Visionäre, das gibt mir auf eine subtile Art Hoffnung. Heute geht der Tanzworkshop mit Roxana Galand zu Ende, und wir sind eingeladen, den Abschluss mit zu erleben. Perspektivisch werden auch Marga und Julio sich hier oben ein kleines Holzhaus bauen und sich ganz der Community (https://www.instagram.com/campoarroyodelmedio/) anschließen. Ich finde die ganze Anlage extrem bezaubernd, wir werden sehr herzlich willkommen geheißen, der Gemeinschaftssinn ist hier überall präsent und spürbar, der Umgang miteinander voller Respekt und Liebe. Die Abschlussvorführung der Seminargruppe auf der großen Wiese ist wunderschön, das Spiel aus Individualität und Verbindung, das Spiel der Körper mit der Musik – faszinierend und fesselnd! Und dann zieht auch noch ein Condor seine Kreise über dem Areal, jetzt wird es fast irreal schön.

Nach der anschließenden Feedbackrunde geht es nahtlos über in freies und ausgelassenes Tanzen auf der Wiese, dem auch wir uns nicht entziehen können und wollen. Auch wenn die Füße fast einfrieren, es macht so unglaublich Spaß, dem inneren Kind hier freien Lauf zu lassen. Eigentlich würden wir am liebsten die ganze Nacht bleiben, aber die Vernunft gewinnt dann doch kurz nach Sonnenuntergang, morgen müssen wir früh raus. Beim Abschied hoffe ich doch insgeheim, bald mit mehr Zeit wiederzukommen. Auf dem Rückweg halten wir bei Manoush, einer der zahlreichen lokalen Bierbrauereien mit Restaurantbetrieb, um noch schnell etwas zu essen. Das ist ein echt harter Kontrast zur friedvollen Ruhe in der Community, zurück in der urbanen Zivilisation eben.

Am Dienstag den 30. Januar 2024 heißt es mal wieder packen, und da wir heute zu fünft in einem Auto mit all unserem Gepäck Richtung Chile fahren werden, sind auch gewisse Packkünste gefragt. Außerdem gilt es noch, Verpflegung für die Fahrt und den ersten Abend in Chile zu besorgen, denn wir haben noch kein chilenisches Bargeld und wollen uns nicht darauf verlassen, dass sich überall alles mit Kreditkarte bezahlen lässt. Für Marga und Julio wird es besonders kompliziert, denn mit argentinischer Kreditkarte können sie aktuell weder Geld abheben noch Einkäufe tätigen im Ausland – eine wirklich unangenehme und beklemmende Lage, die einzige Lösung wird sein, dass wir zunächst alle Kosten übernehmen und sie uns dann einen Teil via Paypal zurückerstatten. Bei solchen Ereignissen weiß ich die enorme Bewegungs- und Handlungsfreiheit, die uns Europäern überall auf der Welt zur Verfügung steht, ganz besonders zu schätzen.

Gegen 10:30h sitzen wir alle im vollgepackten Auto, es kann losgehen. Vorbei am Lago Nahuel Huapi, durch hügeliges Land Richtung San Martin de los Andes. Google Maps behauptet, die Fahrt bis Villarica wird gute 5 Stunden dauern, allerdings werden wir ja auch eine Passkontrolle, teils nicht asphaltierte Straßen und Urlaubsverkehr passieren, also mal sehen. Die Landschaft um uns herum hört jedenfalls nicht auf, spektakulär schön zu sein, die Stimmung ist ausgelassen und voller Vorfreude, und mit entsprechender Musik ist die Laune trotz Enge vor allem auf der Rückbank euphorisch gut. Bevor wir das Naturschutzgebiet rund um den Grenzübergang Mamuil Malal erreichen, tanken wir in Argentinien noch einmal voll – in Chile erwarten uns Preise, die den europäischen deutlich näher kommen. Die Vegetation verändert sich ebenfalls, wir durchqueren Wälder mit riesigen Araucaria-Bäumen und erreichen sehr viel später als erwartet den Grenzübergang.

Auch das ein lang vergangenes Ereignis im vereinigten Europa: nun gilt es diverse Formulare auszufüllen, genau mitzuteilen, wie lange man sich wo im Land aufhält und wann man wie wieder ausreist und wohin. Dann muss das komplette Gepäck abgeladen und zur Kontrolle durch den Scanner geschoben werden. Einige unserer Frischwaren müssen leider entsorgt werden, die Einfuhr ist verboten. Die ganze Prozedur dauert eine gute Stunde, es ist bereits nach 18h abends und wir haben laut unserer Vermieterin noch ca. 2,5 Std Fahrt vor uns. So viel zur Google Maps Prognose.

Nachdem wir auch noch den Abendverkehr rund um Pucón mitnehmen (kleine Anekdote: am Straßenrand verkauft jemand „Kuchen“, der deutsche Einfluss hier hat auf jeden Fall das Backsortiment nachhaltig beeinflusst), dafür aber schon erste Ausblicke auf das wunderschöne Panorama mit Blick auf den Vulkan am Lago Villarica genießen dürfen, erreichen wir erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit das angemietete Ferienhaus etwas außerhalb des Ortes Villarica. Señora Monica erwartet uns, zeigt uns das nötigste und dann sind wir endlich wirklich angekommen. Das Haus ist wunderschön, umgeben von Bäumen und Wiesen, mit großzügiger Holzterrasse, moderner Einrichtung und einer Schafherde, die die Nacht wohl am liebsten direkt an unserem Haus verbringt. Hier werden wir ganz sicher vier zauberhafte gemeinsame Urlaubstage verbringen können. Nach einem schnellen Pasta-Dinner bei wunderschönem Sonnenuntergang fallen wir alle erschöpft in den wohlverdienten Schlaf.

Am Mittwoch haben wir kein Programm, Erholung und die nahe Umgebung erkunden sind die einzigen Parameter heute. Auf der Wiese vor unserem Haus finde ich einen Platz, der schon von der Morgensonne erwärmt wird, und unter genauer Beobachtung der Schafherde absolviere ich meine morgendliche Yoga- und Meditationspraxis. Auch wenn das ein tägliches Ritual ist, macht es so im Freien, mit Vogelgezwitscher und an der frischen Luft, einfach doppelt Freude.

Beim ersten Mate wird klar, dass wir doch dringend einkaufen müssen, und Bargeld brauchen wir ja auch. Also auf in den Ort, in dem die Orientierung erst nicht ganz so einfach ist. Nachdem wir uns zum Zentrum durchgefragt haben, erkunden wir die belebte Einkaufsstraße. Neben dem Notwendigen aus dem Supermarkt kann ich nicht wiederstehen und kaufe auch einen „Kuchen“, der wirklich sehr deutsch aussieht und, wie sich später herausstellt, auch ganz hervorragend schmeckt. Ansonsten wird dies ein super entspannter Tag, wie es sich für Sommerurlaub gehört. Am nahen Fluss ein bisschen spazieren gehen, lesen, quatschen, Mate und die Sonne genießen. Mein Leseplatz unter den Bäumen, durch deren Wipfel die Sommersonne glitzert, ist wirklich Premium. Diese Momente erfüllen mich mit unendlicher Dankbarkeit, dass ich diese Reise erleben darf. Abends zaubern wir uns ein köstliches Dinner mit Reis und Kokoslinsen, Salat und – ja – Fleisch und Gemüse vom Grill. Wir sehen zu, dass wir früh ins Bett kommen, denn am nächsten Tag wollen wir eine Wanderung um den Vulkan machen.

Wir schaffen es am Donnerstag morgen tatsächlich, alle wie ausgemacht um 9h im Auto zu sitzen, in Wandermontur und voller Vorfreude auf etwas mehr Bewegung nach dem Faulenzertag gestern. Der Eintritt in das Naturschutzgebiet verläuft problemlos, nur hören wir dem Guide alle nicht richtig zu und landen daher zuerst nicht am Start des gewählten Wanderwegs, sondern am Skilift. Egal, die Landschaft ist zu schön, um sich darüber zu ärgern. Also zurück Richtung „Sendero de los Crateres“. Um 10:30h sind wir startklar, die Sonne brennt schon ordentlich, gut dass wir einen Weg gewählt haben, der größtenteils durch Wald führt. Der Weg hat immerhin eine Länge von 4km, die es dann ja auch noch zurück zu laufen gilt. Ein wirklich wunderschöner Wanderweg, mit gut angelegten und markierten Wegen, die sich stetig aber nicht steil aufwärts winden. Der Wald wirkt auf mich wie ein Zauberwald, ein richtiger Urwald und an den Bäumen hängen hellgrüne Flechten herab. Viele kleine Salamander kreuzen den Weg, verschiedene Vogellaute sind zu vernehmen. Immer wieder bieten sich Ausblicke auf den Vulkan, und je höher wir kommen, desto großartiger wird die Aussicht insgesamt. Von einer Aussichtsplattform kurz vor dem Ende des Weges – hier hat sich der Wald bereits gelichtet, die Vegetation besteht nur noch aus Büschen – kann man das umliegende Gebirge der Anden, den See Villarica und den nächstliegenden Vulkan Llaima überblicken. Diese besondere Schönheit lässt sich auf Fotos gar nicht festhalten. Schließlich erreichen wir den höchsten Punkt des Weges, nun wirklich am Fuße des Vulkans: hier liegen Hügel der erstarrten Lava (der letzte Ausbruch liegt nur rund 40 Jahre zurück), man kann noch gut erkennen, wo die heiße Lava sich ihren Weg gebahnt hat. Stürzen möchte man hier auch nicht, Lavagestein ist zwar sehr leicht, aber eben auch sehr spitz. Die versprochenen Krater sind ein bisschen enttäuschend, aber es weht ein frisches Lüftchen und wir sind stolz, dass wir den Aufstieg trotz Hitze und viel zu wenig Trinkwasser gemeistert haben. Frischwasserquellen findet man auf diesem Weg nämlich keine.

Nach dem Abstieg und wieder im Auto, halten wir am ersten Restaurant auf dem Weg und tanken Flüssigkeit. Das tut gut! Zurück in Villarica, legen wir noch eine Pause am Seeufer ein. Beim Baden in den Bergseen wären Schwimmschuhe allerdings nicht schlecht, auf den glitschigen und teils spitzen Steine ist es für uns ein ganz schöner Eiertanz, bis wir zum Schwimmen kommen. Aber das kühle Wasser lässt uns wieder Energie aufladen, und die anschließende Mate-Runde komplettiert einen perfekten Outdoor-Tag. Nach der wohltuenden Dusche zu Hause machen wir uns nochmal auf an die Seepromenade, um zuerst die Kunsthandwerksstände zu bewundern und danach noch ein Abendessen mit Seeblick zu genießen. Gut, dass es im Restaurant Decken gibt, sobald die Sonne untergeht, wird es schon sehr frisch hier.

Am Freitag haben wir eigentlich einen Strandtag in Caburgua geplant, wir verabreden, um 8h im Auto zu sitzen. Aber der Morgen zeigt sich sehr bewölkt, es nieselt, und die Vorhersage ist auch eher wechselhaft. Nach kurzer Beratung in noch verschlafenem Zustand entscheiden wir, heute einfach gar nichts zu planen – freies Spielen. Das wird sich für uns alle als optimale Lösung auszahlen. Einfach mal der Muße freien Lauf lassen, lesen, spazieren gehen und in die Baumwipfel starren. Oder Schafe beobachten, das kann wie Arthouse-Kino sein… Abends werden wir zunächst von Luis musikalisch verwöhnt, auf der Terrasse gibt er uns ein kleines Privatkonzert, und dann werden wir noch kulinarisch vom jüngsten Mitglied unserer Reisegruppe, Claudio, mit Pizza verwöhnt. Schlemmen wie in Napoli! Als wir den Abend auf unserer Terrasse ausklingen lassen, haben wir noch eine wahrhaft magische Begegnung: Was wir zunächst für ein Stück Ast in der Gardine halten, entpuppt sich als „lebender Ast“, ein Lebewesen aus der Familie der Gespenstschrecken. Ein Wesen wie aus Herr der Ringe – das sollte zauberhafte Träume generieren heute Nacht.

Und am nächsten Morgen, unserem letzten Urlaubstag hier in Villarica, zeigt sich das Wetter wieder von seiner strahlenden Sommerseite. Es soll der perfekte Strandtag werden, und wir schaffen es tatsächlich, um 8:05h im Auto zu sitzen, mit ausreichend Trinkwasser (man lernt dazu), Sandwiches und Obst und richtig guter Laune. Wir wollen früh los, denn die weißen Sandstrände von Caburgua sind sehr beliebt und wir möchten uns einen Premiumplatz sichern sowie auch dem zu erwartenden starken Verkehr zuvorkommen. Der Plan geht auf, nach knapp 1,5 Stunden sind wir das zweite Auto am Parkplatz, der direkt am Strand liegt. Der noch menschenleere Sandstrand, der glasklare See, die dicht bewaldeten umliegenden Berghänge ergeben ein wunderschönes Bild. Wir installieren uns direkt an einem Baum, mieten etwas später aber doch noch einen Sonnenschirm – die Sonne knallt heute gnadenlos vom strahlend blauen Himmel. Das Wasser dieses Sees wird zum Teil aus heißen Quellen gespeist, es ist angenehm temperiert, fast wie das Mittelmeer im Sommer. Und auf dem Sandboden lässt es sich auch viel gemütlicher laufen als auf den sonst üblichen Steinen. Bei einem Spaziergang sehen wir, dass es hier einen Campingplatz im Wald gibt, direkt am Seeufer gelegen – das muss auch traumhaft sein, hier zu übernachten. Es wird ein rundum gelungener Faulenzertag, richtig Sommerurlaub eben. Was allerdings wirklich beeindruckend ist: wie schnell sich der recht weitläufige Strand im Laufe des frühen Nachmittags mit Menschen und Sonnenschirmen befüllt. Gut, dass wir so früh hier waren und noch das unberührte Landschaftsbild erleben durften.

Erst gegen 18h machen wir uns auf den Rückweg, und am Abend kommt doch erste Wehmut auf, denn morgen heißt es Abschied nehmen von Marga und Julio. Nach dem Pasta-&-Salat Dinner lassen wir die gemeinsame Zeit Revue passieren, jeder reflektiert nochmal die Momente, die besonders im Gedächtnis und im Herzen bleiben werden. Die Liste ist lang – wir sind alle von Dankbarkeit für diese wunderschönen gemeinsamen Erlebnisse erfüllt.

Am nächsten Morgen heißt es für uns mal wieder packen, das Auto beladen und auf Richtung Temuco – von hier werden Luis, Claudio und ich nach Santiago di Chile, in die Hauptstadt und Metropole, fliegen.

Am Sonntag morgen liegt ganz klar Wehmut in der Luft. Wieder einmal packen, und leider in wenigen Stunden Abschied nehmen. Entsprechend viel Zeit nehmen wir uns für das letzte gemeinsame Frühstück in der Morgensonne. Diese Farben nehme ich im Herzen mit: das Strohgold der trockenen Wiese und Felder, die hellen Grüntöne der Blätter, das glitzernde Sonnenlicht und der strahlend blaue Himmel.

Um 10h brechen wir auf Richtung Temuco airport. An diesem kleinen und sehr gepflegtem Flughafen sind alle Beschilderungen auf Spanisch und auf Mapuche, was recht amüsant zu klingen scheint. Beliebtester Buchstabe: „ü“. Nach dem wir uns nochmal fest in den Arm nehmen, sagen wir Marga und Julio „Bis bald“ und wir drei sehen zu, dass wir etwas zum Frühstücken bekommen.

Der Flug mit Latam nach Santiago verläuft problemlos. Kleiner Tipp: Claudio hat für die Buchung eine VPN Software genutzt, um zu suggerieren, dass er sich in Chile befindet. Damit war die Buchung locker 150,- Euro günstiger.

Angekommen in Santiago, warten wir recht lange darauf, dass uns die Vermieterin des gebuchten Apartments die genaue Adresse und vor allem Zahlencodes für die Schlösser mitteilt. Als wir am späten Nachmittag endlich im Stadtteil Providencia ankommen, erleben wir einen ziemlichen Schock: Beide Apartments befinden sich in einem per se schon sehr hässlichen Hochhaus, und die Zimmer sind absolut gruselig: Es riecht muffig, Schimmel an den Wänden, die Tapeten und Vorhänge schmierig – die Liste könnte noch länger werden. Obwohl wir sehr erschöpft sind, entscheiden wir uns nach einer kurzen Weile, nach neuen Übernachtungsmöglichkeiten zu suchen. Und einmal mehr zeigt sich, dass man auch kurzfristig dank AirBnB und Booking noch etwas findet. Claudio macht den absoluten Glücksgriff mit einem AirBnB im Ausgehviertel Barrio Italia, Luis und ich entscheiden uns für die nur 2 Nächte hier für das Mercure Hotel am Cerro Santa Lucia – kein besonderes Highlight, aber bezahlbar, zentrale Lage und vor allem sauber. Zum Abendessen also auf ins Barrio Italia, hier tummeln sich viele junge Leute, Restaurants, Bars und kleine Boutiquen in hübsch und bunt gestrichenen Häuschen ergeben ein einladendes Straßenbild. Wir entscheiden uns für die Brauerei Kunstmann – offenbar gerade noch rechtzeitig, anders als in Buenos Aires scheint man in der chilenischen Metropole zumindest Sonntags früher auszugehen. Um 21:30h wird uns bereits mitgeteilt, dass wir jetzt aber schnell bestellen sollten, sonst macht die Küche zu. Und um 22h wird die letzte Runde ausgerufen. Das Essen ist sehr gut (vor allem mein Tunfischsteak auf Bulgur-Gemüse-Creme), das Bier sowieso. Ein anstrengender Tag nimmt einen letztlich guten Ausgang. Nun aber ab ins Bett.

Für den Montag hatten wir eigentlich in Betracht gezogen, eine touristische Hop on-Hop off Bustour zu machen, um die Highlights der Stadt sozusagen als Paket präsentiert zu bekommen. Machen wir dann aber doch nicht – dafür starten wir mit einem phantastischen Frühstück im Café Wonderland, das direkt neben dem Cerro Santa Lucia und am Rande des Szeneviertels Lastarria liegt. Das Café ist ziemlich berühmt und beliebt, ein „café tematico“, und das Thema hier ist „Alice im Wunderland“. Die Einrichtung ist wie aus dem Märchenbuch, die Kellner*Innen ebenso phantasiereich gekleidet, und das Frühstück ist zusätzlich auch von wirklich guter Qualität. Einen kleinen Ausflug in den Shop im Obergeschoss lassen wir uns nicht entgehen, und Luis erwirbt die Taschenuhr vom Märzhasen – zu spät dürften wir jetzt also nirgends mehr hinkommen.

So gestärkt und satt begeben wir uns zum Cerro Santa Lucia, einem der wichtigsten Wahrzeichen der Stadt. Der Hügel war schon für die Indigenen vor der Conquista ein wichtiger Ort, und seit 1872 befindet sich hier ein wunderschöner Park mit zahlreichen Pflanzen und Bäumen, verschiedenen Brunnen, Gebäuden und Monumenten aus der Kolonialzeit und einer Kirche. Die Wege schlängeln sich den Hügel hinauf, und von ganz oben bietet sich ein wunderschöner Rundumblick auf die Metropole. Die Mühe hat sich gelohnt!

Von hier machen wir uns auf zu einem Spaziergang durch den Centro Historico, wir schlendern staunend durch die belebten Straßen und an zahlreichen beeindruckenden Gebäuden, vielen verschiedenen Shops und Straßenständen mit Schmuck und Kunsthandwerk vorbei. Das ist in Südamerika offenbar in fast jeder Stadt üblich: bei fliegenden Händlern kann man im Grunde alles kaufen, was man sich nur vorstellen kann.

Bevor wir ein Taxi zum Costanera Center anhalten, wollen wir noch Mittagessen. Ein unscheinbarer Eingang in ein einfaches peruanisches Restaurant im Souterrain sagt uns allen aus unerfindlichen Gründen zu. Vertraue deiner Intuition, denken wir – und werden es nicht bereuen. Es ist ein wirklich sehr einfacher Familienbetrieb, im Fernseher läuft lautstark Salsa mit Videos aus den 90er Jahren, und das Ceviche ist absolute Weltklasse. Besser als in jedem Luxusrestaurant.

Von hier also auf zum höchsten Gebäude Südamerikas, dem Torre Costanera Center. Im Einkaufszentrum kaufen wir uns eine Thermosflasche von Stanley, und Yerba Mate. Damit bestückt, gehen wir zum gegenüberliegenden Park, um unter einem Baum eine Siesta einzulegen. Im nahen Starbucks lasse ich mir die neue Thermosflasche mit heißem Wasser auffüllen, also gibt es endlich wieder Mate. Jetzt erst fällt uns auf, dass der Park von jungen Paaren bevölkert ist, die fast alle wild „am knutschen“ sind – der Park heißt für uns ab sofort der „Knutschpark“. Nach so vielen Schritten heute und bei der anhaltenden Hitze haben wir weder Lust noch Kraft, weitere touristische Punkte zu erkunden. Eine Sache steht allerdings noch auf dem Programm: Zum Aperitif sind wir mit Alex Varras verabredet, dem ehemaligen Nationaltorhüter Chiles und altem Freund von Luis. Ich finde es ja immer spannend, direkt von den Locals etwas zur Lage im Land zu hören. Alex gehört ganz sicher zur gehobenen Mittelklasse hier, und trotzdem bekommen er und seine Familie zu spüren, dass es immer schwieriger wird, mit den ewigen Preissteigerungen mitzuhalten. Die Politik der sogenannten „Derecha de Economia“ hat zwar die Wirtschaftszahlen nach oben gebracht, für die arbeitende Bevölkerung aber vor allem die Ausgaben. Möglicherweise ein globales Phänomen? Nach dieser trotz allem sehr ausgelassenen Begegnung lassen wir uns am Abend wieder ins Barrio Italia fahren, wo die Entscheidung für die richtige Location richtig schwerfällt. Am Ende wird es ein weiterer Peruaner, sehr lecker und ein gelungener Tagesabschluss.

Am Dienstag packen Luis und ich mal wieder unsere Koffer, um unser Gepäck in Claudios Apartment zu bringen. Da wir am Mittwoch schon um 4h im Taxi sitzen müssen, campieren wir für diese halbe Nacht bei ihm.

Nach einem kleinen Frühstück und einem kleinen Schlendergang durch die Boutiquen im Barrio Italia machen wir uns mittags auf Richtung Museo de Arte Precolombino. Das Museum befindet sich in einem wunderschönen Gebäude im Centro Historico, und die Ausstellung ist sehr gut kuratiert. Man bekommt einen großartigen Überblick über die alten Kulturen des südamerikanischen Kontinents, und es gibt sehr viele extrem gut erhaltene Artefakte zu bewundern. Luis beeindrucken vor allem die großen Holzstatuen, und er beschließt – gar nicht größenwahnsinnig – „so was“ auch auf Mallorca herzustellen. Ich bin gespannt!

Von hier machen wir uns auf Richtung Parque Metropolitano, dem größten Park in der City rund um den Cerro San Cristobal. Hier erwarten uns diverse Attraktionen, im Park befindet sich z.b. der Zoo, ein Freibad, die „Funicular“-Bahn und die „Teleférico“-Bahn – die beiden letzteren ermöglichen das Erreichen des Gipfels ohne jegliche Anstrengung, was ob der über 30° Hitze sehr vernünftig erscheint. Wir erwerben das Kombi-Ticket „Funicular-Teleférico-Bus Panoramico“. Die beiden Seilbahnen entpuppen sich als lohnenswert, den Bus hätte man sich sparen können. So ist es eben, bei einem zweiten Besuch der Stadt wäre man schlauer. Die 14 Meter hohe Statue der Jungfrau auf dem Gipfel ist jedenfalls sehr beeindruckend, und der Blick auf Santiago mehr als überwältigend. Da es mittlerweile schon früher Abend ist, machen wir uns ohne Zoobesuch auf den Rückweg ins Zentrum. Heute, am letzten gemeinsamen Abend, wollen wir das Szeneviertel Lastarria erkunden.

Das Viertel umfasst nur wenige Straßenzüge, lohnt sich aber auf jeden Fall. Viele Flohmarktstände mit teils sehr kuriosen Artikeln, Gastronomie aller Art und Boutiquen. Ein Pisco Sour zum Aperitif muss sein, das ist schließlich unsere letzte Chance auf das chilenische Nationalgetränk. Sehr lecker, aber auch sehr alkoholreich. Mehr als einer vor dem Essen ist wenig ratsam. Das letzte Abendessen genießen wir in einem vietnamesischen Restaurant auf der gemütlichen Dachterrasse, das Essen ist absolut spitze und das patagonische Bier erfrischend.

Die Nacht wird erwartungsgemäß kurz, schon um 3:15h klingelt der Wecker, das vorbestellte Uber holt uns um 4h ab – uns heißt ab jetzt nur Luis und ich, der Abschied von Claudio fällt nicht leicht, aber 1 Monat gemeinsam verbrachte Zeit kann uns auch keiner nehmen...

„Oh wie schön ist Panama!“ heißt das berühmte Kinderbuch von Janosch – mal sehen, ob sich das für uns bewahrheitet. Mittwoch der 7. Februar wird ein langer Reisetag, von Santiago de Chile bis Panama City sind es rund 5000km, also kein Katzensprung. Der Check in gestaltet sich etwas kompliziert, jede Airline hat andere Gepäckrichtlinien und bei der Buchung haben wir nicht richtig aufgepasst, denn wir haben kein zweites Handgepäck dazu gebucht. Die Gitarre und der kleine Koffer lassen sich aber schlecht verstecken, also heißt es in den sauren Apfel beißen und nachbuchen. Auf dem recht langen Flug bis Bogota gibt es noch nicht einmal ein Wasser umsonst, Avianca Airlines bekommt von uns also keine besonders gute Bewertung. In Bogota heißt es dann 3 Stunden Zeit totschlagen, bis der Anschlussflug nach Panama startet, und wir gegen 16h Ortszeit (Zeitverschiebung zu Chile 2 Stunden) mit einem wunderschönen Ausblick auf die sattgrüne Vegetation Panamas belohnt werden. Die Pass- und Gepäckkontrolle ist auch hier recht aufwendig, aber am frühen Abend verlassen wir das Flughafengebäude, wo uns Luis‘ Freund Roberto Brown (ehemaliger Fußball-Nationalspieler Panamas) in Empfang genommen hat.

Für alle Janosch-Fans: Enttäuschenderweise riecht es hier überhaupt nicht nach Bananen, sondern eher nach Desinfektionsmittel. Schon die Flugzeugkabine wurde damit eingesprüht, bevor wir das Flugzeug verlassen durften. Die Fahrtzeit vom Flughafen in die Stadt beträgt nur knapp 30 Minuten, und schon jetzt bemerke ich extreme Kontraste: Eine vom Luxus zeugenden Wohnanlage direkt neben einem Slum voller Müllberge, dichte Dschungelvegetation vor der Skyline der Finanzmetropole – dieser erste Eindruck wird sich die nächsten Tage immer wieder bestätigen. Neben all der Schönheit der Natur hier kommt der Dreck, den wir Menschen mit Bergen aus Plastik und Abgasen verursachen, besonders gruselig und widerlich zum Vorschein.

Unser Hotel „Oasis“ liegt am Rande des Casco Antiguo, dem ältesten Teil der neuen Stadt (Panama La Vieja wurde 1671 zerstört und die neue Stadt dann hier aufgebaut). Hier wird seit einigen Jahren die Gentrifizierung vorangetrieben, die alten Kolonialbauten sind zum Großteil restauriert, hier befinden sich Regierungsgebäude, Hotels, teure Apartments und Restaurants, die sich vermutlich kaum ein Panameño leisten kann – dafür eben wohlhabende Investoren aus dem Ausland. Das Hotel Oasis ist klein und auch recht alt, das Zimmer hat kein Tageslicht, dafür aber ausreichend Platz, einen Kühlschrank und es ist sauber. Vor allem war es trotz der sehr guten Lage recht günstig, immerhin werden wir 5 Nächte hier verbringen. Am Abend machen wir einen ersten Spaziergang durch die hauptsächlich von Touristen belebten Gassen, die immense Polizeipräsenz an fast jeder Straßenecke ist ebenso auffallend. Vor jedem Restaurant lauern „Touristenfänger“, um die großartigen Drinks und Speisen oder die beste Roof Top Bar anzupreisen. Auf so einer landen wir schließlich, essen „ok“ zu Abend und lauschen einer eher mäßigen Salsa-Band. Ich merke, dass ich des Städte-Urlaubs doch irgendwie müde bin. Aber das tropische Klima hier sagt mir enorm zu, auch nachts noch gut 23 Grad, das macht Laune.

Die Zeitverschiebung lässt uns am nächsten Morgen schon recht früh aufstehen. Leider ist die Rezeption erst ab 8h besetzt, und wir haben keinen Wasserkocher. In einem anderen Hotel nimmt man Luis schließlich 5 Dollar (!) ab für das Befüllen der Thermoskanne. Dafür gibt es wenigstens Mate zum Frühstück. Wegen dem tropischen Klima mit Temperaturen bis 33° und hoher Luftfeuchtigkeit ist es sowieso ratsam, für Ausflüge früh aufzubrechen, um dann am Nachmittag eine Siesta zu halten und später den Abend wieder draußen zu verbringen. Heute steht Stadterkundung auf dem Programm, unsere erste Uber-Fahrt bringt uns zum Biomuseo am Beginn des Amarador, einer Küstenstraße die das Festland mit drei Inseln verbindet und Blicke sowohl auf die Einfahrt zum Kanal als auch auf die Skyline der Stadt bietet. Uber funktioniert hier in Panama Stadt wirklich ganz hervorragend, und anders als bei Taxis steht der Preis für die Fahrt eben vorher fest. Die Fahrer sind durchgehend freundlich und sehr mitteilungsbereit.

Das Biomuseo ist ein architektonisch auffälliges, buntes Gebäude, hat aber um 9:30h noch geschlossen. Dafür können wir am Ufer Kormorane und Pelikane bei der Jagd auf Fische beobachten, da kommt kindliche Freude bei mir auf, einfach faszinierend. Wir mieten uns Fahrräder, um den Amarador bis Punta Culebraentlang zu fahren. Hier befindet sich laut Reiseführer ein kleines tropisches Naturparadies mit Museen, und angeblich auch freilebenden Faultieren und vielen exotischen Vögeln. In der Realität ist zwar das Museum zu den Amphibien sehr interessant, ansonsten ist die Insel eine riesige Baustelle mit dem entsprechenden Baulärm und eine Grundschulklasse erhöht die Geräuschkulisse nochmal signifikant. Wenn ich ein Affe wäre, würde ich mich auch verstecken. Nur am Eingang erhaschen wir einen Blick auf ein schlafendes Faultier, ansonsten gibt es nicht viel zu sehen. Dafür scheint der Eintritt von 10 Dollar pro Person doch etwas viel. Nachdem wir die Fahrräder zurückgebracht haben, suchen wir uns ein schattiges Plätzchen unter einem Baum für eine Pause. Die Kokosnuss, die wir auf dem Weg finden, öffnen wir soweit mit einem Stein, dass wir das Kokoswasser direkt aus der Nuss trinken können – ein Genuss und sehr erfrischend.

Von hier beginnt eine kleine Irrfahrt mit Uber und Bus zurück in die Innenstadt – da wäre etwas bessere Vorbereitung doch hilfreich gewesen, weil wir ja nur in Wifi-Bereichen Internet haben. Wir fragen uns durch und landen schließlich an der Estación 5 de Mayo, mitten im Moloch der Großstadt, umgeben von Dreck und Lärm und sehr sichtbarer Armut sowie exzessivem Verkehr. Mittagessen nehmen wir in einer „Fonda“ (das übersetzt man am besten mit Kaschemme) am Rande des „Mercado de Mariscos“ ein, also einem Straßenlokal mit Plastikstühlen und Plastik-Deko, wo die einfachen Leute essen gehen. Hier fehlt zwar jeglicher Glanz, aber das Essen ist großartig und bezahlbar. Bei einer späteren Uber-Fahrt erfahren wir, dass dieses Lokal (La Bendición) für das beste Ceviche der Stadt berühmt ist. Auf dem Fußweg zurück Richtung Hotel und einem Spaziergang durch den Casco Antiguo wird der Kontrast zwischen Luxus und Armut, zwischen Glanz und Verfall noch deutlicher.  Beides liegt wirklich direkt nebeneinander, ich frage mich, wie sich die Einheimischen fühlen, die (noch) hier in zum Teil wirklich sehr baufällig wirkenden Gebäuden hausen, wenn sie täglich auf den Glanz der restaurierten Hotels, Boutiquen und Restaurants für Touristen blicken. Hier sei gesagt, dass wir bei unserem Spaziergang durch diese ärmeren Straßenzüge ausschließlich auf sehr freundlich grüßende Menschen treffen, von denen allerdings viele auch sehr ausgelaugt und müde auf mich wirken. Das ist ein Reisetagebuch, kein politisches Pamphlet – aber dass unsere vom Finanzkapitalismus beherrschte Welt für die meisten Menschen kein Segen ist, das scheint mir doch sehr offensichtlich und wird auf dieser Reise immer wieder deutlich sichtbar und fühlbar.

Am Abend werden wir von Roberto Brown und seiner Frau Larissa abgeholt, und wir fahren wieder Richtung Amarador, hier befinden sich auch zahlreiche Restaurants und Hotels. Wir wählen eine Art Marktplatz, wo man Speisen aus 5 verschiedenen Gastronomie-Betrieben wählen kann, da ist also für jeden was dabei. Ob die Qualität wirklich besser ist als in der Fonda am Mittag, sei mal dahin gestellt – jedenfalls gibt es viel zu erzählen und es wird ein launiger Abend.

Am Freitag steht etwas ganz Besonderes auf dem Programm, der Besuch einer Comunidad Indigena, den Emberá. Es sei direkt gesagt, die Emberá leben seit Jahren zu 100% vom Tourismus und sind entsprechend gut organisiert, die Besuche kann man im Internet buchen und sind ein fester Bestandteil aller Pauschalpakete für Touristen. Trotzdem ein wirklich besonderes Erlebnis, denn die indigenen Völker genießen besonderen Schutz seitens der Regierung und verstehen sich als Beschützer des Naturreservats. Sie leben wie eh und je im Familienverband und haben den Großteil ihrer Traditionen bewahrt.

Wir haben dank Organisation durch Roberto die besondere Ehre, heute vom Lider der Comunidad und seinem Sohn persönlich betreut zu werden. Vom Treffpunkt am Lago Gatun werden wir in einem Holzboot (Piragua) zunächst Richtung Wasserfall transportiert. Der Urwald am Ufer ist umwerfend und gewaltig, und unsere beiden Begleiter klären uns über die verschiedenen Bäume und Pflanzen und deren Verwendung auf. Untereinander sprechen die Emberá ihren eigenen Dialekt, aber alle sprechen dank Schulpflicht auch fließend Spanisch. Verständigung ist also kein Problem. Und es wird wieder einmal klar, dass Naturvölker ziemlich genau wissen, wie man Rohstoffe zwar nutzt, aber eben nicht aufbraucht. So eine der Aussagen: „Das Holz dieses Baumes ist besonders gut für den Bootsbau geeignet. Wir verwenden natürlich nur Holz von toten Bäumen – einen lebenden Baum zu fällen, halten wir für Mord.“

Wir sind heute früh das erste Boot auf dem Flussarm Richtung Wasserfall, die letzten 100 Meter müssen wir allerdings zu Fuß weiter, der Fluss hat nicht genug Wasser für den Holzkahn. Leichtfüßig schreitet unser Guide barfuß voran, während wir auf unseren zarten und ungeübten Fußsohlen etwas holprig hinterher klettern. Und dann dieses Traumpanaroma: der Wasserfall mitten im dichten Urwald, davor das Wasserbecken gefüllt mit glasklarem Wasser – wer jetzt nicht schwimmen geht ist selber schuld! Für gut 10 Minuten fühlen wir uns wie Tarzan und Jane, während unser Guide gleichmütig am Ufer steht und wartet. Dann füllt es sich so langsam, weitere Boote sind angekommen. Wir räumen das Wasserbecken, unterhalten uns noch über Jagdpraktiken und Schamanismus mit einem weiteren Guide, bevor wir zurück Richtung Boot gehen. Mittlerweile liegen hier 6 Boote am Ufer, zum Teil bis auf den letzten Platz mit Touristen besetzt. Was für ein Privileg, dass wir nur zu dritt unterwegs sind. Nun geht es los Richtung Dorf. Hier werden wir von traditionell nur mit Lendenschurz bekleideten Männern und traditioneller Musik begrüßt. Ich schlinge mir noch schnell ein Tuch um die Lenden und über die noch nasse Badehose, die Frauen hier haben auch entsprechende Wickelröcke an, das scheint mir also angemessen für unsere Privataudienz mit dem „Lider“, was man wohl am besten mit „Häuptling“ übersetzt. In der auf hohen Stelzen gebauten Hütte gibt er uns umfassend Auskunft über die traditionelle Lebensweise seines Stammes, aber auch über die Entwicklungen und Veränderungen durch fortschreitende Zivilisation. Es hört sich alles in allem nach einem funktionierenden Kompromiss an. Mich beeindruckt die Klarheit und Ruhe, die alle Dorfbewohner ausstrahlen. Eine unprätentiöse Form von Stolz und Gleichmut, enormer Präsenz und Anmut.

Später werden wir noch zum Museum geführt, dass den Urgroßvater ehrt, der die Familie vor Jahrzehnten aus dem Darién hierher zum Chagres geführt hat, und der unter anderem auch US Soldaten in der Disziplin „Überleben im Urwald“ ausgebildet hat. Ein traditionelles Fingerfood aus Backfisch und Kochbanane, eine Tanzshow und der Verkauf von Kunsthandwerk runden den Besuch ab. Wie schon gesagt, alles perfekt organisiert. Ein für mich wirklich unvergessliches Erlebnis. Ich würde gerne länger hier bleiben.

Die Rückfahrt in die Stadt ist fast surreal, wie kann wilde Natur und Zivilisationsdreck und -lärm so eng beieinander liegen? Bei einem nächsten Panama-Aufenthalt würde ich die Stadt auf jeden Fall auslassen und die Zeit komplett im Dschungel verbringen, irgendwo in der Provinz. Beim zweiten Mal ist man eben immer schlauer… Wir machen das Beste draus, nach der Siesta gibt es ein leckeres Eis, und am Abend vereinbart Luis in der Sama Skybar über unserem Hotel 1 Stunde Musik gegen Drinks und Dinner – das ganze mit wirklich tollem Blick auf die Skyline und das Feuerwerk, das wohl wegen der Karnevalsfeierlichkeiten am Hafen abgefeuert wird.

Am Samstag müssen wir raus in die Natur, so viel ist klar. Ausflüge in das nächstliegende Naturschutzgebiet Soberania kann man pauschal buchen, inklusive Transfer, Mittagessen, Gruppenwanderung und Bootsfahrt zur Affeninsel für satte 150 Dollar pro Person. Da organisieren wir unser Abenteuer lieber selbst. Die gut 30-minütige Fahrt im Uber bis fast zum Beginn des von uns gewählten Wanderweges kostet uns 25 Dollar. Wir sind extra früh los, und im dichten Wald ist die Hitze jetzt morgens früh noch sehr gut auszuhalten. Die Pipeline Road ist ein sehr gut befestigter Weg in den Dschungel hinein, die Vegetation ist überwältigend, die zahlreichen Vogelstimmen und ab und an ein grollendes Brüllen, dass wir Affen zuschreiben, bilden eine großartige Geräuschkulisse. Wir treffen am Anfang mehrfach auf Gruppen von Fototouristen, die in Jeeps mit Guides auf seltene Tierfotos Jagd machen. Doch schon nach wenigen Kilometern sind wir ziemlich alleine hier im Wald und bekommen doch tatsächlich einige Affen zu sehen, die sich von Baum zu Baum hangeln. Außerdem kreuzt ein neugieriges Cuati unseren Weg, und bei einer Pause auf einer Holzbrücke bekommen wir Gesellschaft von einem kleinen reh-artigen Wesen, das uns dann noch eine ganze Weile folgt und sich sogar streicheln lässt. Hoffentlich verhält es sich einem Jaguar gegenüber nicht genauso zutraulich. Nach knapp 7 km machen wir kehrt, die gesamte Pipeline Road ist 17 km lang, das ist für uns bei der feuchten Hitze heute nicht machbar, und wir müssen ja auch noch zurück zur Straße und irgendwie den Rücktransport organisieren. Für mich war dieser Ausflug in die Wildnis jedenfalls ein großartiges Erlebnis, das ist einfach etwas ganz anderes als ein Spaziergang durch deutsche Kulturwälder.

Spannend wird dann die Organisation der Rückfahrt, denn eine Taxi- oder Bushaltestelle ist ziemlich weit weg, da müssten wir nochmal mindestens 5km Straße dranhängen. Schon nach 1km auf der Straße haben wir Glück, neben uns hält ein Paar (Er US-Amerikaner, Sie aus Paraguay) und bietet uns „a ride“ an. Manchmal muss man einfach auf das Glück vertrauen. An einem kleinen Restaurant mit Wifi setzen sie uns ab, und wir haben wieder Glück, denn ein Uber ist ganz in der Nähe. Der Fahrer, José, hat bei einem nahen Hotel andere Wanderer abgesetzt und hatte vereinbart, auf sie zu warten. Da er aber noch 4 Stunden Wartezeit hat, freut er sich, zwischendrin eine weitere Fahrt zu verkaufen.

Wir lassen uns zur Miraflores Schleuse fahren, wo sich auch das Besucherzentrum des Panama-Kanals befindet. Das wäre ja wirklich ein Unding, wenn wir Panama verlassen, ohne uns dieses Meisterwerk der Ingenieurskunst aus der Nähe anzusehen. Es ist zwar brechend voll, aber dennoch auf jeden Fall lohnenswert. Wir können aus nächster Nähe beobachten, wie zwei kleine Katamarane gemeinsam mit einem riesigen Containerschiff in der Schleuse auf den niedrigeren Level verfrachtet werden – beeindruckend. Und der Film zum Bau des Kanals, den wir anschließend im Kino zu sehen bekommen, ist wirklich gut gemacht und sehr informativ.

Ein schon sehr erfüllter Tag mit sehr unterschiedlichen Eindrücken ist noch lange nicht zu Ende, als wir gegen 17h wieder im Hotel eintreffen. Es ist schließlich Karneval! Also machen wir uns abends zu Fuß auf zur Promenade, wo die große Parade stattfinden wird. Das Gelände ist abgesperrt wie ein Militärgebiet, am Eingang Ausweis-, Taschen- und Körperkontrolle. Luis hat seinen Ausweis vergessen – findet aber ein Passfoto von seinem Kollegen Manuel in der Fotobibliothek. Damit kommen wir durch – Glück gehabt. Wer die Paraden aus dem Rheinland kennt, dürfte enttäuscht sein – dafür sind die Kostüme sehr farbenfroh und die Musikrhythmen feurig. Ein sehr buntes, sehr lautes Erlebnis, dass wir aber auch nicht länger als 1 Stunde aushalten. Auf dem Rückweg kommen wir wieder am Mercado de Mariscos vorbei, und klar, jetzt muss es ein Ceviche sein zum Abendessen, wo es doch angeblich das Beste der Stadt ist. Es ist wirklich großartig, und die frittierten fishfingers ebenso!

Am Sonntag, unserem letzten Tag hier in Panama, haben wir zwar keine Zeit für eine weitere Fahrt in die Provinz, aber mit dem Parque Metropolitano gibt es einen Stadt-Dschungel, der zumindest satte Vegetation und frische Luft verspricht. Wir gehen alle vorhandenen Wanderwege ab (dürfte insgesamt eine Gesamtlänge von 5km nicht übersteigen), doch im Vergleich zum Vortag ist es eher enttäuschend. Der Stadtverkehr ist ganz in der Nähe und fast immer zu hören, und die Wege sind natürlich sehr viel stärker frequentiert, vor allem von Sportlern. Außerdem ist es enorm schwül, schwitzen tut man im Stehen, und beim teils recht steilen Aufstieg erst recht. Es gibt einige Aussichtsplattformen mit großartigen Ausblicken, Tiere bekommen wir kaum zu sehen – bei den vielen lärmenden Menschen hier würde ich mich aber auch verstecken, wenn ich Tier wäre. Immerhin ein Faultier erspähen wir. Immerhin haben wir also unseren Frühsport absolviert, und im nahen Greenhouse Café genießen wir ein leckeres und gesundes Frühstück. Vor dem Café gibt es sogar Hängematten zum Entspannen, toll.

Hier sammelt uns Freund Roberto ein, wir werden den Rest des Tages bei ihm zu Hause mit der Familie verbringen. Vorher macht er noch eine kleine Sightseeing-Tour mit uns, und wir erkunden noch „Panama La Vieja“, die Ruinen der alten Stadt, die vom Piraten Morgan niedergebrannt wurde. Die Geschichte Panamas ist im Museum hier sehr gut und interessant aufbereitet, und während des Spaziergangs durch die Ruinen treffen wir auf riesige Gummibäume, ebenfalls recht große Leguane und ein Eichhörnchen. Wenn es nicht so wahnsinnig heiß wäre, würden wir wohl länger bleiben. Also auf zu Roberto, hier gibt es immerhin einen Pool zur Erfrischung. Hier leben drei Generationen zusammen, es ist also ordentlich was los, ein sehr schöner Nachmittag und Abend mit vielen interessanten Gesprächen rundet unseren Besuch dieses spannenden Landes ab. Interkulturelle Begegnung und Austausch erweitern immer eigene Perspektiven und Kenntnisse, das ist ein weiteres großes Geschenk dieser Reise. Zurück im Hotel, heißt es also zum vorletzten Mal Koffer packen – der krönende Abschluss unserer Reise erwartet uns morgen: die Karibikinsel Barbados

Wer geographisch gebildet ist, mag jetzt so langsam denken: So ganz logisch ist die Reiseroute nun auch wieder nicht. Stimmt, wenn man rein sachlich an die Planung geht. Luis und ich gehören eher zu den Menschen, die mit dem Herzen Entscheidungen fällen. Und deshalb ist diese letzte Reisestation zu genau diesem Zeitpunkt sehr logisch für uns: Auf der wunderschönen Karibikinsel haben wir – sehr spontan und nach fast 17 Jahren „wilder Ehe“ – vor genau 5 Jahren geheiratet. Außerdem erwarten uns hier zwei absolute Lieblingsmenschen, ohne deren große Gastfreundschaft der Aufenthalt weder jetzt noch vor 5 Jahren möglich gewesen wäre: Verena und Roddy. Und mit Dhisha und Dirk sind es zwei weitere Herzensmenschen, die auch gerade Urlaub in ihrer alten Heimat machen. Also erwartet uns nicht nur karibisches Flair und Wetter, sondern auch ganz wundervolle Gesellschaft, um sowohl die „Petersilienhochzeit“ also auch das Ende dieser Traumreise zu zelebrieren.

Wer die Karibik kennt, weiß wovon ich rede. Tagsüber angenehm heiß, nachts warm; traumhafte Sandstrände und türkisblaues Meer; tropische Vegetation mit Palmen und riesigen Brotfrucht- und Mangobäumen. Und dann der Bajan Lifestyle: Don’t worry, relax, be happy. Ein Ort zum runterkommen, entspannen, genießen.

Verena und Roddy leben an der West Coast, hier sind die schönsten Badestrände, viele Strandbars und -cafés, auch sehr teure Hotels, Golfplätze und Privatvillen. Aber: Privatstrände gibt es für niemanden, auch nicht für Rihanna. Wer will, kann bei low tide die gesamte Küste entlang laufen, ohne von einem Zaun aufgehalten zu werden.

Ich will hier gar nicht chronologisch alles auflisten, was wir so unternommen haben, nur ein paar der wundervollen Erlebnisse und Momente Revue passieren lassen. So zum Beispiel der Ausflug zur East Coast am Valentinstag, zum „rauhen“ Teil der Insel, wo sich vor allem Surfer an den Stränden vergnügen. Hier ist die Landschaft wilder, weniger bebaut und lädt in frühen Morgenstunden durchaus auch zum Wandern ein – wir lassen den sportlichen Teil aus und nutzen die Ebbe (low tide), um in den Wasserbecken von Bathsheeba ein Picknick einzunehmen. Pures Luxusfeeling, ganz umsonst. Ein Kaffee in der Ecolodge beschert uns wunderschöne Ausblicke auf die Küste, und das Bier in der „Dorfkneipe“ mit Roddy’s altem Kumpel werden wir wohl auch so schnell nicht vergessen.

Die Gitarre von Luis kommt auf der Insel auch endlich wieder zum Einsatz, und das an drei sehr verschiedenen Locations. Der Deal ist einfach: gute Unterhaltungsmusik gegen Essen und Getränke. Erste Station: Das Pier One Restaurant am Port St. Charles (https://www.instagram.com/pieronebarbados/), ein schickes Hafenlokal mit Pool und Terrasse mit direktem Meerzugang. Also erst ein Mittagessen im Restaurant, dann umziehen und direkt ins Meer springen. Einmalig!

Zweite Location: Caboose (https://www.instagram.com/caboosebarbados/). Was für eine verrückte Idee, ein altes Holzboot zur Strandbar umzubauen. Sieht witzig und sehr einladend aus, und die Tische unter den schattenspendenden Bäumen laden erst Recht zum Verweilen ein. Das Fischbrötchen (fish cutter) – natürlich mit Pepper Sauce - ist ungelogen das Beste weit und breit, und der selbstgemischte Rumpunsch auf Eis auch. Dazu Luis‘ spanische Songs – das Publikum ist begeistert, es gibt viel Applaus und getanzt wird trotz Hitze auch.

Und dann die dritte Auftrittsoption, die absolut schillerndste von allen: Der Sonntagsevent im Lancaster House Barbados (https://www.instagram.com/lancasterbarbados/). John Chandler und seine Frau haben das alte Plantagenhaus liebevoll und absolut stilvoll eingerichtet, der tropische Garten ist einfach umwerfend, und die Dekoration der Tische ist das unfassbar märchenhaft wundervollste, was ich jemals gesehen habe. Man kann sich gar nicht statt sehen. Eine Farbexplosion, die an keiner Stelle kitschig wirkt, sondern maximal stilvoll, verspielt, glamourös. Dazu die Kostüme, die den Gästen für den späteren Partyteil zur freien Verfügung stehen. Nach dem Begrüßungscocktail im Garten werden wir an unseren Tisch geführt, und genießen über gute zwei Stunden ein 4-Gang-Menü, das Sterneküche-Qualität hat. Dann beginnt um 16h die Band zu spielen, und die Tanzfläche füllt sich schnell. Um 18h soll Luis beginnen, und ich frage mich schon, wie er da einsteigen soll – nach der 5-köpfigen Band mit großer Anlage. Aber Profi bleibt Profi: mit dem Wunschsong des Gastgebers starten füllt die Tanzfläche sofort wieder, John ist happy – everybody is happy. Ein spektakulärer Nachmittag endet nach über 7 Stunden mit einer kleinen privaten Tangoperformance von uns für den Gastgeber und die letzten Gäste, berauscht fahren wir nach Hause.

Und dann gibt es in den 8 Tagen hier vor allem Pool, Strand, Meer, Entspannung; gute Gespräche, gutes Essen, womöglich den ein oder anderen Drink zu viel – und ganz viel gute Laune. Beim Schnorcheln kann man nur wenige Meter vom Strand entfernt unzählige Fische beobachten – manche davon für meinen Geschmack ein bisschen zu groß J. Hier gibt es tatsächlich noch Fischer, die ihren Fang direkt am Strand verkaufen, und so kommen wir mehrfach in den Genuss von Roddy’s Barracuda-Spezialitäten. Dhisha zaubert außerdem ein indisches Fischcurry, und Breadfruit (die man entweder den zahlreichen Straßenverkäufern abkauft oder einfach bei Bekannten selber pflückt) gibt es in verschiedensten Varianten. Persönlicher Favorit: Dirk’s Breadfruit-Chips sowie im Feuer gebackene Breadfruit kurz in Salzwasser getaucht (die Robinson Crusoe Version sozusagen). Mit spektakulären Sonnenuntergängen werden wir mehrfach belohnt, und dass ich morgens um 7h beim Yoga auf der Poolterrasse schon schwitze, ohne mich bewegt zu haben – das wird wohl auch so bald nicht wieder vorkommen.

So ist es, alles hat irgendwann ein Ende, so auch diese wundervolle, unvergessliche Reise. Vier Länder haben wir bereist und erkundet, und unsere Reise hatte 10 Stationen. Dazu gehörten sowohl große Städte als auch verschlafene Dörfer sowie unberührte Natur. Vor allem aber haben wir ganz wundervolle Menschen getroffen und viel Zeit mit Freunden verbringen dürfen. Viele neue Freundschaften sind entstanden, viele alte Freundschaften neu belebt worden, dafür empfinde ich große Dankbarkeit. Alle Erlebnisse werden als Erinnerung in unseren Herzen bleiben, und werden uns noch lange das Herz erwärmen. Reisen bildet und macht toleranter, sagt man. Dem möchte ich hinzufügen: Wenn Menschen sich mit den Herzen begegnen, wächst Liebe.